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Der Koalitionsvertrag zwischen CDU/CDU und SPD ist mittlerweile unterzeichnet worden. Es lohnt daher ein genauer Blick darauf, was die Regierungsparteien in der kommenden Legislaturperiode vorhaben. Die Parteien haben sich einiges vorgenommen, was sie im Arbeitsrecht verändern wollen:

1.) Mindestlohn

Ab dem 01.01.2015 gilt ein gesetzlicher Mindestlohnstundenlohn von 8,50 €. Allerdings können Regelungen in Tarifverträgen von dem Mindestlohn noch bis zum 01.01.2017 abweichen. Der Koalitionsvertrag sieht auch bereits Ausnahmeregeln für ehrenamtliche Minijobs vor. Der Geltungsbereich des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes soll auf alle Branchen ausgeweitet werden. Zudem sollen die Anforderungen an eine Allgemeinverbindlichkeitserklärung (nach dem Tarifvertragsgesetz) reduziert werden, was die Einführung eines branchenspezifischen, höheren Mindestlohnes erleichtert. In Zukunft soll bereits ein besonderes öffentliches Interesse ausreichen um einen Tariflohn für allgemeinverbindlich zu erklären.

2.) Werkverträge

Der Missbrauch von Werkverträgen soll dadurch erschwert werden, dass „die Rechtsprechung entwickelten Abgrenzungskriterien zwischen ordnungsgemäßen und missbräuchlichen Fremdpersonaleinsatz gesetzlich niedergelegt“ werden.

3.) Leiharbeit

In der Leiharbeit soll eine Überlassungshöchstdauer von achtzehn Monaten gesetzlich festlegt werden. Spannend dürfte allerdings werden, welche Folge die Koalitionsparteien an eine längere Arbeitnehmerüberlassung knüpfen, dazu schweigt sich der Koalitionsvertrag leider aus. Derzeit sieht das Arbeitsrecht überhaupt keine Sanktion bei einem dauernden Einsatz des Leiharbeitnehmers vor, wie es das Bundesarbeitsgericht mit Urteil vom 10.12.2013, Az. 9 AZR 51/13, noch einmal ausdrücklich festgestellt hat. Leiharbeitnehmer sollen zudem spätestens nach neun Monaten den gleichen Lohn wie die Stammbelegschaft erhalten. Leiharbeiter sollen nicht als Ersatz für streikende Arbeitnehmer eingesetzt werden dürfen.

4.) Teilzeitarbeit

Es soll ein Anspruch auf befristete Teilzeitarbeit eingeführt werden, Arbeitnehmer sollen nach einer zeitlich begrenzten Reduzierung der wöchentlichen Arbeitszeit ein Rückkehrrecht zur Vollzeit erhalten.

5.) Tarifeinheit

Kurios wird es im Koalitionsvertrag im Hinblick auf die Tarifautonomie. Einerseits steht ganz am Anfang des Kapitels „Modernes Arbeitsrecht“, dass die Tarifautonomie gestärkt werden soll, andererseits nehmen sich die Regierungsparteien vor, den Koalitions- und Tarifpluralismus einzuschränken. Der Grundsatz der Tarifeinheit soll in den Betrieben (wieder) eingeführt werden. Das Bundesarbeitsgericht hatte demgegenüber mehrfach wiederholt, dass kein hinreichender Grund dafür besteht, die Möglichkeit auszuschließen, dass für verschiedene Arbeitnehmer im Betrieb unterschiedliche Tarifverträge gelten. (vgl. Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 23.06.2010, Az. 10 AS 3/10, Beschluss vom 23.06.2010, Az.  10 AS 2/10). Insoweit dürfte es interessant werden, wie die Koalitionspartner diesen Punkt gesetzgeberisch umsetzen wollen. Zumal das Bundesarbeitsgericht hat Hinblick auf den Grundsatz der Tarifeinheit auch verfassungsrechtliche Bedenken (Verstoß gegen die Koalitionsfreiheit gem. Art. 9 Grundgesetz) geäußert hat (vgl. Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 27.01.2010, 4 AZR 549/08 (A)). Danach stellt die Verdrängung eines von einer Gewerkschaft geschlossenen Tarifvertrages nach dem Grundsatz der Tarifeinheit sowohl einen nicht gerechtfertigten Eingriff in die kollektive Koalitionsfreiheit der tarifschließenden Gewerkschaft als auch in die individuelle Koalitionsfreiheit des an diesen gebundenen Gewerkschaftsmitglieds dar. Es bleibt offen, was die Koalitionspartner mit der folgenden Formulierung des Koalitionsvertrages im Sinn haben: „Durch flankierende Verfahrensregelungen wird verfassungsrechtlich gebotenen Belangen Rechnung getragen.“ Möglicher Weise ist die Passage so zu deuten, dass die Einschränkung der Koalitionsfreiheit oder des Streikrechts (für kleinere Gewerkschaften) im Grundgesetz verankert werden soll.

Fundstelle: Koalitionsvertrag zwischen den Parteien CDU/CSU und SPD; Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 10.12.2013, Az. 9 AZR 51/13, Pressemitteilung Nr. 73/13; Beschluss vom 27.01.2010, 4 AZR 549/08 (A), Pressemitteilung Nr. 09/10; Beschluss vom 23.06.2010, Az. 10 AS 3/10, Beschluss vom 23.06.2010, Az.  10 AS 2/10, Pressemitteilung Nr. 46/10

Das Bundesarbeitsgericht hat mit Urteil vom 25.09.2013, 10 AZR 282/12, erneut festgestellt, dass es bei der Feststellung, ob ein Arbeitsvertrag oder ein Werkvertrag vorliegt, auf die tatsächliche Durchführung eines Vertrages und nicht auf dessen Bezeichnung ankommt. Entscheidend sprechen demnach für das Vorliegen eines Arbeitsvertrags die persönlich Abhängigkeit und die Weisungsgebundenheit eines Angestellten. In dem vom Gericht zu entscheidenden Fall war der klagende Arbeitnehmer im Rahmen mehrerer Werkverträge für das Bayerische Landesamts für Denkmalpflege tätig. Auf der Dienststelle des Landesamtes verrichtete er seine Arbeit zu regelmäßigen Dienstzeiten und benutze deren Computer und EDV-System. Das spricht in dem konkreten Fall nach der Entscheidung des Gerichts und der Vorinstanzen im Rahmen einer Gesamtschau für das Vorliegen eines Arbeitsvertrages.

Fundstellen: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 25.09.2013, 10 AZR 282/12, Pressemitteilung Nr. 55/13

Ein Leiharbeitnehmer kann sich unter Umständen erfolgreich beim entleihenden Unternehmen einklagen, wenn ihm von der Leiharbeitsfirma gekündigt wird. Das geht aus den Urteilen des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 24.07.2013, Az. 3 Sa 1749/12 und des ursprünglichen Urteils des Arbeitsgerichts Bielefeld vom 05.12.2012, Az. 6 Ca 1016/12 hervor. Der dortige Kläger war über einen Werkvertrag bei einem entleihenden Betrieb tätig. Schwerpunktmäßig mit den Tätigkeiten im Wareneingang, in der Poststelle sowie mit Hausmeistertätigkeiten betraut. Ihm wurde nach zirka 4 Jahren von der Leiharbeitsfirma gekündigt. Dagegen erhob er Klage gegen den entleihenden und gegen den verleihenden Betrieb u. a. auf Schadensersatz und die Feststellung, dass ein  Arbeitsverhältnis zum entleihenden Betrieb, einer Tochterfirma des Bertelsmann-Konzerns, unbefristet fortbesteht. Die Leiharbeitsfirma verfügte nämlich über keine Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung (Leiharbeit). Der Kläger machte geltend, dass zudem kein wirksamer Werkvertrag vorgelegen habe, da er vollständig in die Betriebsorganisation des entleihenden Betriebes eingegliedert war. Die Ausübung des Weisungsrechts oblag zudem faktisch dem entleihenden Betrieb. Der Kläger erhielt in beiden Instanzen Recht, beide Gerichte gingen einer aufgrund einer Gesamtbetrachtung der einzelnen Umstände folgend davon aus, dass unzulässige Leiharbeit vorgelegen habe. Entscheiden war, dass die Leiharbeitsfirma nicht über die notwendige Genehmigung verfügte, weshalb aufgrund gesetzlicher Fiktion davon auszugehen war, dass zwischen dem entleihenden Betrieb und dem Arbeitnehmer ein Arbeitsverhältnis entstanden ist. Der entleihende Betrieb muss den Arbeitnehmer nun weiter beschäftigen. Entscheidend ist dabei für die rechtliche Einordnung des Vertrages dessen Geschäftsinhalt und nicht die gewünschte Rechtsfolge oder die Bezeichnung des Vertrages, im Zweifelsfalle muss auf die tatsächliche Durchführung des Vertrages abgestellt werden.

Fundstellen: Landesarbeitsgericht Hamm, Urteil vom 24.07.2013, Az. 3 Sa 1749/12, Pressemitteilung vom 24.07.2013, Arbeitsgericht Bielefeld, Urteil vom 05.12.2012, Az. 6 Ca 1016/12

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