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Der Bundesgerichtshof (BGH) hat mit Beschluss vom 20.02.2012, Az. 1 StR 585/12, entschieden, dass die Einwilligung in eine Körperverletzung bei einer Schlägerei zwischen rivalisierenden Gruppen auch dann gegen die guten Sitten verstoßen kann, wenn keine konkrete Todesgefahr für einen der Verletzten eingetreten ist. Denn bereits das Fehlen jeglicher Absprachen und Vorkehrungen zur Verhinderung der Gefährdung des Lebens und der körperlichen Unversehrtheit der Kontrahenten soll ausreichen, damit die Taten nicht mehr durch die Einwilligung aller Beteiligten gerechtfertigt werden können. Der Bundesgerichtshof weist in seiner Pressemitteilung vom 25.03.2013 explizit darauf hin, dass die Entscheidung Auswirkungen auf die strafrechtliche Bewertung verabredeter Schlägereien zwischen Hooligan-Gruppen haben wird.

Im zu entscheidenden Fall wussten alle Beteiligten, dass es zu körperlichen Auseinandersetzungen kommen würde. Zuvor waren wechselseitig Beleidigungen ausgetauscht worden und telefonisch Verstärkung angefordert worden. Aufgrund einer faktischen Übereinkunft stimmten alle beteiligten Kontrahenten zu, den Konflikt zwischen beiden Gruppen mit Faustschlägen und Fußtritten auszutragen, wobei sie auch den Eintritt erheblicher Verletzungen billigten. Alle an der Schlägerei beteiligten Personen hatten somit in die gegenseitig begangenen Körperverletzungen eingewilligt, was grundsätzlich deren Rechtswidrigkeit entfallen lässt. Etwas anderes gilt dann, wenn die Einwilligung in die Körperverletzung als sittenwidrig einzustufen ist, dann ist die Einwilligung unwirksam. Bisher war der Bundesgerichtshof grundsätzlich von einer sittenwidrigen Einwilligung zur Körperverletzung nur dann ausgegangen, wenn das Ausmaß der mit der Körperverletzung einhergehenden, objektiven Rechtsgutsgefährdung als besonders stark anzusehen war, weil z. B. eine konkrete Todesgefahr für einen Beteiligten eingetreten ist (vgl. Bundesgerichtshof, Urteil vom 18.09.2008, Az. 5 StR 224/08). Mit dem jetzigen Beschluss betont der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs den Aspekt der Unkontrollierbarkeit gruppendynamischer Prozesse, der spezifisch für die Gefährlichkeit einer Schlägerei zwischen zwei größeren Gruppen ist. Laut dem Inhalt des Urteils sei dafür nicht das Gefährlichkeitspotential der einzelnen Körperverletzungshandlungen in der Nachbetrachtung (ex-post) maßgebend, sondern die Gesamtumstände bei einer vorausschauenden objektiven Betrachtung (ex-ante) entscheidend. Bei der Einwilligung in auch gegen den Kopf geführte Fußtritte sei wegen der damit verbundenen Lebensgefahr von einer Sittenwidrigkeit der Einwilligung auszugehen. Der Bundesgerichtshof weicht aber insoweit von seiner bisherigen Rechtsprechung ab, als er nunmehr davon ausgeht, dass bereits allein das Fehlen jeglicher Absprachen und Vorkehrungen, die eine Eskalation der wechselseitigen Körperverletzungshandlungen ausschließen, zur Sittenwidrigkeit der Einwilligung führe. Wenn also entsprechende „Spielregeln“ fehlen, ist die Einwilligung selbst dann unwirksam, wenn mit den einzelnen Körperverletzungserfolgen keine konkrete Todesgefahr verbunden ist.

Fundstellen: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 20.02.2012, Az. 1 StR 585/12; Pressemitteilung Nr. 52/2013

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