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Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat in dem von mir für den Antragsteller geführten Verfassungsbeschwerdeverfahren mit Beschluss vom 02.05.2016 entschieden, dass ein Gericht gegen die durch die Verfassung verbürgte Rechtsschutzgleichheit (Art. 3 Absatz 1 i. V. m. Art. 20 Absatz 3 GG) verstößt, wenn es überspannte Anforderungen an die Erfolgsaussichten eines Antrages auf Prozesskostenhilfe anlegt. Die Erhebung von Gebühren für eine Anhörungsrüge im strafrechtlichen Rehabilitierungsverfahren stellt zudem einen Verstoß gegen das Willkürverbot (Art. 3 Abs. 1 GG) dar.

Der Antragsteller hatte seine Rehabilitierung wegen DDR-Unrechts bezüglich seiner Einweisung in das Spezialkinderheim „Blücherhof“ nach dem strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetz (StrRehaG) beantragt. Die Heimeinweisung war damals lediglich allgemein mit groben Disziplinarverstößen, einer  unzureichenden Lernbereitschaft, einem unbeherrschten Auftreten und einer Außenseiterstellung im Klassenkollektiv begründet worden. Wobei als Ursachen für das angebliche Verhalten des Kindes ein nicht immer genügend abgestimmtes einheitliches Erziehungsverhalten und eine fehlende pädagogischer Konsequenz der Eltern angegeben wurde.

Der Antrag auf Feststellung der Rechtsstaatswidrigkeit der Heimeinweisung wurde vom Landgericht Neubrandenburg abgelehnt. Das Oberlandesgericht Rostock lehnte die dagegen eingelegte Beschwerde ab. Zudem wurde der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe abgelehnt. Für die gegen die Beschwerdeentscheidung erhobene Anhörungsrüge erhob das Oberlandesgericht eine Gebühr in Höhe von 60,00 €.

Das Bundesverfassungsgericht stellt in der Entscheidung vom 02.05.2016 nunmehr fest, dass die Ablehnung der Gewährung von Prozesskostenhilfe durch das Oberlandesgericht Rostock auf einer grundsätzlich unrichtigen Anschauung der verfassungsrechtlich verbürgten Rechtsschutzgleichheit beruht. Das Oberlandesgericht hatte zur Begründung der Versagung der Prozesskostenhilfe darauf abgestellt, dass die Vorinstanz den Rehabilitierungsantrag mit zutreffender Begründung abgelehnt habe. In der Beschwerdeinstanz seien keine grundsätzlich neuen Tatsachen vorgebracht worden. Der Beschwerdeführer habe lediglich eine abweichende rechtliche Bewertung vorgetragen, weshalb die Prozesskostenhilfe wegen fehlender Erfolgsaussicht abzulehnen war.

Nach der zutreffenden Auffassung des Bundesverfassungsgerichts, hat das Oberlandesgericht Rostock damit die Anforderungen an die Erfolgsaussicht der Beschwerde überspannt. Denn bei objektiver Betrachtung lagen hier gewichtige Anhaltspunkte dafür vor, dass die Heimeinweisung in einem groben Missverhältnis zu ihrem Anlass stand und dass der Heimeinweisung ein sachfremder Zweck zugrunde lag. Daher war hier eine umfangreiche Würdigung der Sach- und Rechtslage veranlasst. Die Annahme fehlender Erfolgsaussichten im Rahmen der Prozesskostenhilfegewährung war demgemäß als grundrechtswidrig anzusehen.

Zudem verstößt die Erhebung einer Gebühr für die Anhörungsrüge im strafrechtlichen Rehabilitierungsverfahren gegen das Willkürverbot. Das strafrechtliche Rehabilitierungsgesetz ordnet ganz eindeutig die Kostenfreiheit des Verfahrens an (vgl. § 14 Abs. 1 StrRehaG). Das Oberlandesgericht hatte dennoch argumentiert, dass das Verfahren über die Anhörungsrüge ein selbstständiges Verfahren sei, das nicht mehr dem strafrechtlichen Rehabilitierungsverfahren zuzurechnen sei.

Das Bundesverfassungsgericht führt zu dieser Gesetzesauslegung des Oberlandesgerichts Rostock zutreffend aus: „Die gegenläufige Rechtsauffassung des Oberlandesgerichts ist unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt vertretbar. Der vom Oberlandesgericht für das Anhörungsrügeverfahren erhobenen Gerichtsgebühr fehlt es bereits an einer rechtlichen Grundlage.“

Fundstellen: Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 02.05.2016, Az. 2 BvR 1267/15; Oberlandesgericht Rostock, Beschluss vom 22.06.2015, Az. 22 Ws_Reha 22/15; Beschluss vom 29.05.2015, Az. 22 Ws_Reha 22/15; Landgericht Neubrandenburg, Beschluss vom 11.11.2014, Az. 63 Rh 48/14

Aufgrund der veränderten Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zu Bagatellkündigungen (vgl. Fall Emmely) hat das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg in einem Rechtsstreit über die Anfechtung eines Aufhebungsvertrags einen Beschluss des Arbeitsgerichts  Berlin vom 03.08.2011 aufgehoben. Das Arbeitsgericht Berlin hatte die Gewährung von Prozesskostenhilfe dem Kläger versagt, der sich mit der Klage und dem Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe gegen die Beendigung des Arbeitsvertrages durch einen Aufhebungsvertrag wandte. Der Kläger war 34 Jahre beanstandungsfrei bei der Beklagten als Fleischer angestellt gewesen, er soll bei seiner Arbeit einige Bouletten aus einem Mittagstischgericht Königsberger Klopse bei der Arbeit verspeist haben. Dabei soll er von einem Ladendetektiv beobachtet worden sein. Nach eigenem Vortrag wurde der Kläger darauf von den Mitarbeitern der Beklagten vor die Alternative gestellt, dass der Kläger einen Aufhebungsvertrag mit einer verkürzten Kündigungsfrist ohne Abfindung unterschreibt oder für den Fall dass er diesen nicht unterschreibt, eine sofortige, außerordentliche Kündigung erhält.  Der Kläger unterschrieb nach eigenem Vortrag deshalb den Aufhebungsvertrag, anschließend erklärte er die Anfechtung des Aufhebungsvertrages wegen widerrechtlicher Drohung. Dabei stellte der Kläger auf die Drohung mit der fristlosen Kündigung ab, diese sei auch widerrechtlich. Dabei sei darauf abzustellen, ob ein verständiger Arbeitgeber eine solche Kündigung ernsthaft in Erwägung gezogen hätte. Zur Prüfung der Wirksamkeit einer hypothetischen Kündigung hat eine Bewertung des Einzelfalls unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu erfolgen. Die Umstände, anhand derer zu beurteilen ist, ob dem Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung zumutbar ist oder nicht, lassen sich nicht abschließend festlegen. Zu berücksichtigen sind aber regelmäßig das Gewicht und die Auswirkungen einer Vertragspflichtverletzung – etwa im Hinblick auf das Maß eines durch sie bewirkten Vertrauensverlusts und ihre wirtschaftlichen Folgen -, der Grad des Verschuldens des Arbeitnehmers, eine mögliche Wiederholungsgefahr sowie die Dauer des Arbeitsverhältnisses und dessen störungsfreier Verlauf. Eine außerordentliche Kündigung kommt nur in Betracht, wenn es keinen angemessenen Weg gibt, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen, weil dem Arbeitgeber sämtliche milderen Reaktionsmöglichkeiten unzumutbar sind. Als mildere Reaktionen sind insbesondere Abmahnung und ordentliche Kündigung anzusehen. Sie sind dann alternative Gestaltungsmittel, wenn schon sie geeignet sind, den mit der außerordentlichen Kündigung verfolgten Zweck – die Vermeidung des Risikos künftiger Störungen – zu erreichen (vgl. Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 10.6.2010, 2 AZR 541/09, Rn. 34). Hier wäre eine Kündigung wegen des Vorwurfs einen Königsberger Klops unter Beachtung des Ultima-Ratio-Prinzips und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen unter keinem Aspekt gerechtfertigt, eine etwaige Bagatellkündigung hätte keinen Bestand gehabt, da eine Abmahnung in jedem Fall das mildere, gleich wirksame Mittel gewesen wäre. Eine Weiterbeschäftigung wäre auch ohne weiteres zumutbar gewesen. So lautete jedenfalls der Vortrag des Arbeitnehmers.

Das Arbeitsgericht Berlin lehnte dennoch den Antrag des Klägers durch Beschluss mit der Begründung ab, dass die Klage keine Aussicht auf Erfolg habe, denn die Widerrechtlichkeit der Drohung sei nicht erkennbar. Dagegen erhob der Kläger die sofortige Beschwerde, woraufhin das Landesarbeitsgericht mit Beschluss vom 15.09.2011, Az. 24 Ta 1849/11, den Beschluss des Arbeitsgerichts Berlin aufhob und die Sache ans Arbeitsgericht Berlin zurückverwies. Das Landesarbeitsgericht führt zur Begründung mit einer luziden Begründung aus:

Die Androhung des Arbeitgebers, das Arbeitsverhältnis durch eine außerordentliche Kündigung beenden zu wollen, falls der Arbeitnehmer nicht selbst kündige oder einen Aufhebungsvertrag abschließe, stellt die Ankündigung eines zukünftigen empfindlichen Übels dar, dessen Verwirklichung in der Macht des ankündigenden Arbeitgebers liegt. Die Drohung muss nicht ausgesprochen werden und kann auch durch schlüssiges Verhalten erfolgen … Die Drohung mit einer außerordentlichen Kündigung ist widerrechtlich, wenn ein verständiger Arbeitgeber eine solche Kündigung nicht ernsthaft in Erwägung ziehen durfte. Die Widerrechtlichkeit der Kündigungsandrohung kann sich regelmäßig nur aus der Inadäquanz von Mittel Zweck ergeben. Hat der Drohende an der Erreichung des verfolgten Zwecks kein berechtigtes Interesse oder ist die Drohung nach Treu und Glauben nicht mehr als angemessenes Mittel zur Erreichung des Zwecks anzusehen, so ist die Drohung widerrechtlich … Nur wenn der Arbeitgeber unter Abwägung aller Umstände des Einzelfalls davon ausgehen muss, die angedrohte Kündigung werde im Falle ihres Ausspruchs einer arbeitsgerichtlichen Überprüfung mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht standhalten, darf er die außerordentliche Kündigungserklärung nicht in Aussicht stellen, um damit den Arbeitnehmer zum Abschluss einer Beendigungsvereinbarung zu veranlassen … Das Bundesarbeitsgericht hat mit Urteil vom 10.06.2011 -2 AZR 541/09 – entschieden, das Gesetz kenne auch im Zusammenhang mit strafbaren Handlungen des Arbeitnehmers keine absoluten Kündigungsgründe … Allein die grundsätzliche Geeignetheit eines Sachverhaltes, eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen, rechtfertigt nicht die Drohung mit einer Kündigung, weil der Arbeitgeber dann nicht alle Umstände des Einzelfalles abgewogen hat.

Mit dem Beschluss schafft das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg Klarheit über die Voraussetzungen einer erfolgreichen Anfechtung eines unter dem Eindruck einer rechtswidrigen Kündigungsdrohung geschlossenen Aufhebungsvertrages. Die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zum Fall Emmely ist dabei zu beachten und kann unter den gegebenen Umständen eine erfolgreiche Anfechtung erleichtern.

Fundstelle: Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 15. September 2011, Az.  24 Ta 1849/11

Es besteht die Möglichkeit Prozesskostenhilfe für ein Gerichtsverfahren zu beantragen, wenn der Antragsteller bedürftig im Sinn der Regelungen über Prozesskostenhilfe ist und wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.  Dabei  kommt es entscheidend auf die Vermögensverhältnisse des Klägers bzw. des Beklagten an, nicht aber auf die Vermögensverhältnisse von dessen Ehepartner. Dessen Vermögen wird nur im Rahmen der Unterhaltsfreibeträge berücksichtigt. Das Landesarbeitsgericht Berlin hat diese Rechtslage mit Beschluss vom 11.07.2011, Az. 9 Ta 1418/11, erneut bestätigt.  Es beruft sich dabei auf einen Beschluss des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vom 05.04.2006, Az. 3 AZB 61/04. Das BAG hatte bereits entscheiden, dass das Einkommen der Partei und  nicht das Familieneinkommen beider Ehegatten zusammen maßgebend zur Feststellung der Voraussetzungen der Prozeskostenhilfegewährung ist. Das Landesarbeitsgericht führt in seinem Beschluss aus:

„Der Lebensunterhalt und Lebensstandard des Einzelnen bestimmt sich zwar nicht allein durch sein Einkommen; die Einkünfte der anderen Familienmitglieder kommen letztlich allen zu Gute; es wird regelmäßig „aus einem Topf“ gewirtschaftet. Dennoch schließt § 115 ZPO eine Zusammenrechnung der Einkommen sämtlicher Familienmitglieder eindeutig aus. Dies ist als gesetzgeberische Entscheidung hinzunehmen. Eine andere Betrachtungsweise ist auch nicht in Folge der derzeitigen Gestaltung des Vordrucks über die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse (§ 117 Abs. 2 ZPO) geboten, wonach auch nach dem Einkommen des Ehegatten gefragt wird. Denn dies beruht nicht auf gesetzlichen Vorgaben. Das Einkommen eines gut verdienenden Hausgenossen findet allein dann Berücksichtigung, wenn dem Antragsteller tatsächliche geldwerte Leistungen zugute kommen; diese rechnen dann zu seinem Einkommen.“

Nur ausnahmsweise kann aus Billigkeitserwägungen ein Unterhaltsanspruch auf Prozesskostenvorschuss gegen den Ehepartner zum Vermögen gezählt werden. Der Anspruch auf Prozesskostenvorschuss muss zudem alsbald realisierbar sein, seine Durchsetzung muss zumutbar sein  und ohne Rechtseinbußen verbunden sein.  Das Bundesarbeitsgericht führt insoweit in dem Beschluss vom 05.04.2006 aus, dass es keinem Hilfsbedürftigen zuzumuten sei, vor Beginn seines Rechtsstreits einen weiteren, unsicheren Prozess um den Prozesskostenvorschuss zu führen. Im Normalfall dürfte das Einkommen des Ehepartners daher im Rahmen der Prozesskostenhilfegewährung nicht anzurechnen sein, das Prozesskostenhilferecht kennt die sozialrechtliche Bedarfsgemeinschaft in diesem Sinne nicht.

Fundstellen: Landesarbeitsgericht Berlin, Beschluss vom 11.07.2011, Az. 9 Ta 1418/11; Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 05.04.2006, Az. 3 AZB 61/04

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