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Der Bundesgerichtshof (BGH) hat mit Urteil vom 22. Dezember 2011, Az. 2 StR 509/10, ein Urteil des Landgerichts Köln (LG Köln) aufgehoben, das LG Köln hatte ein von der Polizei abgehörte Selbstgespräch des Angeklagten zu dessen Überführung rechtswidrig verwertet. Der Angeklagte war vom LG Köln zu lebenslanger Haft wegen Mordes verurteilt worden. Der Fall muss nun neu verhandelt werden. Nach den Ausführungen in der Presseerklärung des Bundesgerichtshofs stand der Verurteilung ein aus der Verfassung abgeleitetes absolutes Verwertungsverbot entgegen. Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 GG schützen den Kernbereich der Persönlichkeit.

Das Bundesverfassungsgericht hatte bereits mit Urteil vom 14. September 1989, Az. 2 BvR 1062/87, entschieden, dass tagebuchähnliche Aufzeichnungen eines Beschuldigten unter Umständen im Strafverfahren als Beweismittel ausscheiden können. Im konkreten Fall war die Verwertung des Tagebuchs als Beweismittel jedoch verfassungsgemäß, das Bundesverfassungsgericht konnte eine Verfassungswidrigkeit wegen Stimmgleichheit nicht feststellen, denn vier Verfassungsrichter stimmten für ein Verwertungsverbot, vier dagegen. Das Bundesverfassungsgericht erkennt aber grundsätzlich einen letzten unantastbaren Bereich privater Lebensgestaltung an, der der öffentlichen Gewalt schlechthin entzogen ist, da der Kern der Persönlichkeit durch die unantastbare Würde des Menschen geschützt werde. Selbst schwerwiegende Interessen der Allgemeinheit können Eingriffe in diesen Bereich nicht rechtfertigen, eine Abwägung nach Maßgabe des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes findet insoweit nicht statt. Tagebuchaufzeichnungen können nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts über die Rechtssphäre des Verfassers allerdings hinausweisen und Belange der Allgemeinheit berühren (vgl. BVerfG, Beschluss vom 26.06.2008, Az. 2 BvR 219/08). Das Bundesverfassungsgericht führte in dem Beschluss vom 03.03.2004, Az. 1 BvR 2378/98, 1 BvR 1084/99, Rn. 137, zum großen Lauschangriff aus: „Aufzeichnungen oder Äußerungen im Zwiegespräch, die zum Beispiel ausschließlich innere Eindrücke und Gefühle wiedergeben und keine Hinweise auf konkrete Straftaten enthalten, gewinnen nicht schon dadurch einen Gemeinschaftsbezug, dass sie Ursachen oder Beweggründe eines strafbaren Verhaltens freizulegen vermögen. Ein hinreichender Sozialbezug besteht demgegenüber bei Äußerungen, die sich unmittelbar auf eine konkrete Straftat beziehen.“ Nur insoweit nimmt das Bundesverfassungsgericht dann regelmäßig doch eine Interessenabwägung vor.

Der Bundesgerichtshof hatte bereits mit Urteil vom 10.08.2005, Az. 1 StR 140/05, entschieden, dass Selbstgespräche unter Umständen nicht verwertet werden können. Der damalige Angeklagte war bei einem Klinikaufenthalt in seinem Einzelzimmer abgehört wurden, wobei dessen Selbstgespräche waren minutiös aufgezeichnet worden waren. Die Verwertung schied wegen Verstoßes gegen Vorschriften des Strafprozessordnung (§ 100c StPO) aus, weil das damals geführte Selbstgespräch dem durch Art. 13 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG und Art. 2 Abs. 1 GG geschützten unantastbaren Kernbereich privater Lebensgestaltung zuzurechnen war. Der Bundesgerichtshof nahm damals eine Abwägung vor, die im Ergebnis zu einem absoluten Verwertungsverbot führte. Maßgebend war, dass es sich um ein aufgrund einer staatlichen Überwachungsmaßnahme aufgezeichnetes Selbstgespräch handelte,  es in einem hier von Art. 13 GG geschützten Wohnraum geführt wurde und dessen Inhalt in Bezug auf den Tatvorwurf interpretationsbedürftig war. Entscheidend war somit u. a. dass auch das Krankenzimmer in den Schutzbereich der Unverletzlichkeit der Wohnung (Art. 13 GG) zugerechnet wurde. Danach hat das das Selbstgespräch ausschließlich höchstpersönlichen Charakter und berührt aus sich heraus nicht die Sphäre anderer oder der Gemeinschaft.

Diese Rechtsprechung scheint sich der Bundesgerichtshof (BGH) in seiner aktuellen Entscheidung fortzusetzen, die Begründung des Urteils wurde allerdings noch nicht veröffentlicht. Aus der Pressemitteilung geht aber bereits hervor, dass der BGH daran festhält, dass nicht jedes Selbstgespräch einem Verwertungsverbot unterliegt. Maßgebend für das Vorliegen eines Verwertungsverbots sei, dass die Äußerungen nichtöffentlich und ohne kommunikativen Bezug getätigt wurden. Zudem muss Unbewusstheit der verbalen Äußerung möglich sein und die Identität der Äußerung mit den inneren Gedanken anzunehmen sein. Weiteres Kriterium ist laut BGH die „Äußerungsform als bruchstückhafter, auslegungsfähiger oder –bedürftiger Ausschnitt eines Gedankenflusses“. Liegen diese Kriterien vor, so soll ein absolutes Verwertungsgebot des Selbstgesprächs auch außerhalb des besonderen Schutzbereichs der eigenen Wohnung gegeben sein.

Fundstellen: Bundesgerichtshof, Urteil vom 22. Dezember 2011, Az. 2 StR 509/10; Urteil vom 10.08.2005, Az. 1 StR 140/05, Presseerklärung vom 22.12.2011; Bundesverfassungsgericht, Urteil vom 14. September 1989, Az. 2 BvR 1062/87;  Beschluss vom 03.03.2004, Az. 1 BvR 2378/98, 1 BvR 1084/99, Beschluss vom 26.06.2008, Az. 2 BvR 219/08

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