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Bagatellkündigung – Fall Emmely

Bereits am 10.06.2010 entschied das Bundesarbeitsgericht die Kündigungsschutzklage einer Kassiererin (Az. 2 AZR 541/09), die zwei Pfandbons im Wert von 0,48 € und 0,82 € an sich genommen und für sich eingelöst haben soll. Der Fall wurde in der Boulevardpresse als Fall Emmely bekannt. Das Bundesarbeitsgericht überprüfte den Fall im Rahmen der Revision lediglich auf Rechtsfehler. Hinsichtlich der Frage, ob die Klägerin die Bons tatsächlich unterschlagen hat –was diese bestritt- war es an die Feststellungen des Landesarbeitsgerichts gebunden. Das Landesarbeitsgericht hatte die Kündigung für wirksam erachtet. Dem widersprach das Bundesarbeitsgericht, die rechtliche Würdigung des Landesarbeitsgerichts sei rechtsfehlerhaft. Es betont in seiner Entscheidung, dass das deutsche Arbeitsrecht keine absoluten Kündigungsgründe kenne. Laut Bundesarbeitsgericht bedarf es stets einer umfassenden, auf den Einzelfall bezogenen Prüfung und Interessenabwägung dahingehend, ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses trotz der eingetretenen Vertrauensstörung – zumindest bis zum Ablauf der Kündigungsfrist – zumutbar ist oder nicht. Zu berücksichtigen seien dabei regelmäßig das Gewicht und die Auswirkungen einer Vertragspflichtverletzung – etwa im Hinblick auf das Maß eines durch sie bewirkten Vertrauensverlusts und ihre wirtschaftlichen Folgen -, der Grad des Verschuldens des Arbeitnehmers, eine mögliche Wiederholungsgefahr sowie die Dauer des Arbeitsverhältnisses und dessen störungsfreier Verlauf. Die Kündigung ist nur dann wirksam, wenn sie das letzte Mittel darstellt (ultima ratio), das ist dann nicht der Fall, wenn eine Abmahnung ausgereicht hätte, um das Verhalten des Arbeitnehmers so zu beeinflussen, dass er in Zukunft keine weiteren Pflichtverletzungen begehen wird. Es ist insoweit laut Bundesarbeitsgericht nicht stets und von vorneherein ausgeschlossen, verlorenes Vertrauen durch künftige Vertragstreue zurückzugewinnen. Bei der Interessenabwägung ist weiterhin das Verhältnismäßigkeitsgebot zu beachten. Bei einem langjährig bestehenden Arbeitsverhältnis dürfte daher auch aus diesem Grund eine fristlose Kündigung im Regelfall nur nach einer einschlägigen Abmahnung wirksam sein.  Entscheidend ist der Grad der Störung des Vertrauensverhältnisses nach objektiver Betrachtung. Das Bundesarbeitsgericht führt insoweit aus: „Dabei kommt es nicht auf die subjektive Befindlichkeit und Einschätzung des Arbeitgebers oder bestimmter für ihn handelnder Personen an. Entscheidend ist ein objektiver Maßstab. Maßgeblich ist nicht, ob der Arbeitgeber hinreichendes Vertrauen in den Arbeitnehmer tatsächlich noch hat. Maßgeblich ist, ob er es aus der Sicht eines objektiven Betrachters haben müsste. Im Arbeitsverhältnis geht es nicht um ein umfassendes wechselseitiges Vertrauen in die moralischen Qualitäten der je anderen Vertragspartei. Es geht allein um die von einem objektiven Standpunkt aus zu beantwortende Frage, ob mit einer korrekten Erfüllung der Vertragspflichten zu rechnen ist.“ Zwar betont das Bundesarbeitsgericht, dass  rechtswidrige und vorsätzliche Handlungen des Arbeitnehmers, die sich unmittelbar gegen das Vermögen des Arbeitgebers richten, auch dann ein wichtiger Grund zur außerordentlichen Kündigung darstellen können, wenn die Pflichtverletzung Sachen von nur geringem Wert betrifft oder nur zu einem geringfügigen, möglicherweise gar keinem Schaden geführt hat. Eine Kündigung wegen des Verdachts einer Straftat unterliegt dennoch den allgemeinen Regeln des Kündigungsschutzrechts und kann sich im Einzelfall durchaus als unwirksam erweisen. Die weiteren Ausführungen in dem Urteil beziehen sich auf das Prozessverhalten der Klägerin. Das Bundesarbeitsgericht macht insoweit deutlich, dass das Prozessverhalten regelmäßig keine Rückschlüsse auf die Kündigung zulässt. Denn die Wirksamkeit einer Kündigung ist grundsätzlich nach den objektiven Verhältnissen im Zeitpunkt ihres Zugangs zu beurteilen. Nachträglich eingetretene Umstände können für die gerichtliche Beurteilung nur insoweit von Bedeutung sein, wie sie die Vorgänge, die zur Kündigung geführt haben, in einem neuen Licht erscheinen lassen.

Quelle: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 10.6.2010, 2 AZR 541/09