Die 55. Kammer des Sozialgerichts Berlin hält bekanntermaßen die aktuelle Höhe der Regelleistungen nach dem Sozialgesetzbuch II (Hartz IV) für zu niedrig und damit für verfassungswidrig, das entschied das Sozialgericht Berlin mit Beschluss vom 25.04.2012, Az. S 55 AS 9238/12. Folgerichtig legte das Sozialgericht Berlin die Frage der Verfassungswidrigkeit der derzeitigen Ausgestaltung von Hartz IV dem Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung vor (vgl. Blogartikel vom 26.04.2013: „Sozialgericht Berlin: Auch neue Hartz-IV-Regelsatzberechnung verfassungswidrig“). Das Bundessozialgericht entschied dagegen mit Urteil vom 28.03.2013, Az. B 4 AS 12/12 R, dass die derzeitige Höhe der Hartz-IV-Leistungen nicht zu beanstanden sei. Entsprechende Beschwerdeverfahren sind immer noch beim Bundesverfassungsgericht anhängig (Az. 1 BvR 1691/13, 1 BvL 10/12, 1 BvL 12/12). Eine Entscheidung des Verfassungsgerichts ist noch nicht ergangen. Der paritätische Wohlfahrtsverband hat im Rahmen dieser Verfahrens zwei Gutachten durch Dr. Rudolf Martens und Dr. Joachim Rock vorgelegt, die beide zu dem Schluss kommen, dass auch die derzeitige Berechnung der Regelleistungen für hilfsbedürftige Arbeitssuchende verfassungswidrig ist. Nach den Gutachten wurden in dem Bedarfsbemessungsverfahren Eingriffe in das sich nach dem Statistikmodell ergebende Verfahren vorgenommen, ohne dass das durch sachlogische Bezüge konstruiert werden könnte. Das Berechnungsverfahren der Regelsätze sei daher intransparent und nicht sachgerecht. Zumal in der ausgewählten Referenzgruppe u. a. Haushalte von Empfängern von Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz enthalten waren. Die damalige Höhe der Leistungen für Asylbewerber ist aber inzwischen selbst vom Bundesverfassungsgericht für verfassungswidrig erklärt worden. Das führe zu Verzerrungen bei der Berechnung und stelle einen verbotenen Zirkelschluss dar. Es fehle insbesondere auch an einer verfassungskonformen Berechnung im Hinblick auf den spezifischen Bedarf von Kindern. Zudem sei die Berechnung der Regelsatzhöhe intransparent und trage der verdeckten Armut nicht ausreichend Rechnung. Der Mobilitätsbedarf von Ein-Personen-Haushalten und Haushalten mit Kindern sei in der Berechnung ebenfalls unzureichend berücksichtigt worden. Letztlich werde der Ermessensspielraum des Gesetzgebers auch deshalb eingeschränkt, weil die Variation des Anteils der Personen, die länger als zwei Jahre im SGB II-Bezug sind, bundesweit betrachtet gering sei. Diese Personen seien aber stärker von einem zu niedrigen Regelsatz betroffen, falls dieser unterhalb der Kosten für den benötigten Konsum des Haushaltes liege.
Fundstellen: Bundessozialgericht, Urteil vom 28.03.2013, Az. B 4 AS 12/12 R, Sozialgericht Berlin, Beschluss vom 25.04.2012, Az. S 55 AS 9238/12, Deutscher Paritätischer Wohlfahrtsverband, Gutachten vom 28.09.2013, Gutachten vom 29.08.2013