Um diese Webseite optimal gestalten und fortlaufend verbessern zu können, verwenden wir sogenannte Cookies. Durch die weitere Nutzung der Webseite stimmen Sie der Verwendung von Cookies zu

Das Verwaltungsgericht Berlin hatte darüber zu entscheiden, ob die zum Teil mehrjährigen (1998 – 09/2006) Abhörmaßnahmen des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV) gegen sechs Einzelpersonen, eine Biobäckerei und ein Anwaltsbüro rechtmäßig waren, diese wurden vom BfV verdächtigt, Mitglieder bzw. Unterstützer der zur linksautonomen Szene gerechneten „militanten gruppe“ gewesen zu sein (vgl. „Terminhinweis: Geheimdienstliche Ausforschung u. a. einer Anwaltskanzlei“ vom 24.02.2012). Neben Telefonaten wurden von den Verfassungsschutzbeamten auch E-Mails und Postsendungen mitgelesen. Das Verwaltungsgericht Berlin hat nun mit mehreren Urteilen vom 01.03.2012, Az. VG A 391.08 u.a., entschieden, dass es sich bei allen Maßnahmen um rechtswidrige Eingriffe in die Telekommunikationsfreiheit der Betroffenen gehandelt hat. Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis werden gem. Art. 10 Abs. 1 Grundgesetz (GG) garantiert, diese Grundrechte gewährleisten die freie Entfaltung der Persönlichkeit durch einen privaten, vor der Öffentlichkeit verborgenen Austausch von Informationen und schützen damit zugleich die Würde des Menschen (vgl. Bundesverfassungsgericht, Urteil vom 02.03.2006, Az. 2 BvR 2099/04, Rn. 64 ff. mwN). Art. 10 GG schützt dabei die private Fernkommunikation. Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis gewährleisten die Vertraulichkeit der individuellen Kommunikation, wenn diese wegen der räumlichen Distanz zwischen den Beteiligten auf eine Übermittlung durch andere angewiesen ist und deshalb in besonderer Weise einen Zugriff Dritter – einschließlich staatlicher Stellen – ermöglicht. Konkrete, tatsächliche Anhaltspunkte hätten laut Presseerklärung des Verwaltungsgerichts Berlins hinsichtlich des vom BfV geäußerten Tatverdachts von Anfang an nicht vorgelegen.

Fundstellen: Verwaltungsgericht Berlin, Pressemitteilung vom 01.03.2012, Nr. 9/2012; Urteile vom 01.03.2012, Az. VG 1 A 391.08 u.a.; Bundesverfassungsgericht, Urteil vom 02.03.2006, Az. 2 BvR 2099/04

Das Verwaltungsgericht Berlin wird am Mittwoch, den 1. März 2012, 10.00 Uhr in der Kirchstraße 7, 10557 Berlin, Saal 1202, darüber entscheiden, ob die zum Teil mehrjährigen Abhörmaßnahmen gegen sechs Einzelpersonen, eine Biobäckerei und ein Anwaltsbüro rechtmäßig waren. Das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) überwachte von November 1998 bis Oktober 2006 offenbar vor allem linke Aktivisten in Berlin mit der Begründung, dass diese Mitglieder oder Unterstützer der damals angeblich agierenden „militanten gruppe“ gewesen seien. Bereits mit Beschluss vom 11.03.2010 musste der Bundesgerichtshof (BGH) feststellen, dass die zahlreichen vom Ermittlungsrichter des BGH angeordneten, verdeckten Observationsmaßnahmen der Strafverfolgungsbehörden von Juli 2001 – März 2005 rechtswidrig waren. Die entsprechenden Beschlüsse wurden nachträglich aufgehoben. Das vom BGH entschiedene Verfahren betraf strafrechtliche Ermittlungsverfahren, die aufgrund von angeblichen Erkenntnissen des BfV überhaupt erst eingeleitet worden waren. Der BGH stellte in dem Beschluss vom 11.03.2010, Az. STB 16/09, unmissverständlich fest, dass zu keinem Zeitpunkt ein ausreichender Tatverdacht gegen die Beschwerdeführer vorgelegen habe. Ausreichend wäre bereits der einfache Tatverdacht gewesen, bei dem den Ermittlungsbehörden ein gewisser Ermessensspielraum zugebilligt wird, selbst dieser lag laut dem Beschluss vom 11.03.2010 zu keinem Zeitpunkt vor. Der BGH führte darin wortwörtlich aus (Rn. 21): „Den Angaben des BfV lässt sich trotz der langjährigen Beobachtung der früheren Beschuldigten und des Umstands, dass gegen diese schon seit dem Jahr 1998 – und damit bereits etwa drei Jahre – operative Maßnahmen durchgeführt wurden, nichts entnehmen, was wesentlich über allgemeine Erkenntnisse über deren politische Orientierung hinausgeht.“ In dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht Berlin wird nun darüber entschieden, ob auch die Überwachungsmaßnahmen des Verfassungsschutzes rechtswidrig waren. Nebenbei sei der Hinweis erlaubt, dass in Spanien der weltbekannte Ermittlungsrichter Baltasar Garzón mit Urteil vom 09.02.2012, Az. 20716/2009, vom obersten Gerichtshof Spaniens (Tribunal Supremo) u. a. mit 11 Jahren Berufsverbot dafür bestraft wurde, dass er rechtswidrig Telefonate von Beschuldigten mit ihren Verteidigern abhören ließ. Das Verwaltungsgericht Berlin würde gegebenen Falls -ebenso wie der BGH- hingegen lediglich die Rechtswidrigkeit der Maßnahmen feststellen.

Fundstellen: Pressemitteilung des Verwaltungsgerichts Berlin vom 23.02.2012, Az. VG 1 A 391.08 u.a.; Pressemitteilung des Republikanischen Anwaltsvereins vom 24.02.2012; Bundesgerichtshof, Beschluss vom 11.03.2010, Az. StB 16/09; Tribunal Supremo, Sala de lo Penal, Urteil vom 09.02.2012, Az. 20716/2009

Zum Seitenanfang