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Nach der Pressemitteilung der Bundesregierung vom 15.05.2019 sollen die Fristen für Rehabilitierungsanträge für DDR-Unrecht gestrichen werden. Bislang gilt als letzter möglicher Termin für die Antragstellung der 31.12.2019.

Die Beweisführung bezüglich der Rehabilitierung von DDR-Heimkindern soll erleichtert werden. Es soll insbesondere für ehemalige Heimkinder, die wegen der politischen Verfolgung ihrer Eltern in ein Heim, Spezialheim oder Jugendwerkhof eingewiesen wurden, eine einfachere Regelung zur Rehabilitierung geschaffen werden.

Bereits im Koalitionsvertrag war vereinbart worden, dass die Antragsfristen „im Einvernehmen mit den Bundesländern“ aufgehoben werden sollen und geprüft werden soll, wie die bestehenden rechtlichen Grundlagen der Entschädigung für die Heimkinder verbessert werden können. Es bleibt daher abzuwarten, wie die neue konkrete rechtliche Regelung ausgestaltet sein wird. Bislang hat die Bundesregierung nur einen Gesetzentwurf beschlossen, noch gilt die alte Rechtslage.

Fundstelle: Bundesregierung, Pressemitteilung „Mehr Unterstützung für DDR-Opfer“ vom 15.05.2019

Der Bundesgerichtshof hat im Jahr 2015 entschieden, dass die Heimeinweisung eines Kindes nicht schon deshalb rechtsstaatswidrig war, wenn die Eltern aufgrund politischer Verfolgung inhaftiert wurden und nur aus diesem Grund ein Kind in einem Heim untergebracht wird (vgl. Bundesgerichtshof, Beschluss vom 25.03.2015, Az. 4 StR 525/13). In einem solchen Fall ist die Einweisung nach der Auffassung des Bundesgerichtshofs lediglich die Folge einer Inhaftierung, diente aber selbst nicht dazu, das Kind politisch zu verfolgen.

Diese Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs war ganz erheblicher Kritik ausgesetzt, einige Bundesländer haben bereits eine Gesetzesinitiative gestartet, das strafrechtliche Rehabilitierungsgesetz entsprechend zu ändern, dass auch Kinder die aufgrund der politischen Inhaftierung der Eltern in ein Heim eingewiesen wurden, selbst zu rehabilitieren sind (vgl. Bundesrat, Drucksache 642/17 vom 03.11.2017). Den Kindern stünden in einem solchen Fall grundsätzlich auch die Haftentschädigung und weitere Leistungen wie die Opferrente zu (vgl. auch den Blogeintrag „Eine der politischen Repression dienende Heimeinweisung ist rechtsstaatswidrig“ vom 12.11.2017).

Allerdings kann auch nach der derzeitigen Rechtslage ein ehemaliges Heimkind wegen der politischen Verfolgung eines Elternteils rehabilitiert werden, wenn es dem ehemaligen Heimkind gelingt den Nachweis zu erbringen, dass die Heimeinweisung als politisches Druckmittel gegen die Eltern eingesetzt wurde. In einem solchen Fall ist auch die Heimeinweisung des Kindes für rechtsstaatswidrig zu erklären, denn diese war nicht von fürsorglichen Motiven sondern (auch) von politischen getragen. Der Bundesgerichtshof hatte in dem oben genannten Beschluss auch ausdrücklich festgestellt, dass es unerheblich sei, ob sich der mit der Heimeinweisung verfolgte Verfolgungszweck gegen die unterzubringende Person selbst oder Dritte richtete. Auch die zur politischen Disziplinierung von Eltern oder Verwandten angeordnete Heimunterbringung stellt sich als politische Verfolgung im Sinne des strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetzes dar (vgl. Bundesgerichtshof, Beschluss vom 25.03.2015, Az. 4 StR 525/13).

Das Brandenburgische Oberlandesgericht hat in einem von mir für den Betroffenen geführten Verfahren daher auch entschieden, dass der Heimaufenthalt meines Mandanten ab dem nachgewiesenen Zeitpunkt der politischen Verfolgung der Mutter für rechtsstaatswidrig zu erklären ist (vgl. Brandenburgisches OberlandesgerichtBeschluss vom 07.11.2017, Az. 2 Ws (Reha) 13/16).

Der Antragsteller war bereits kurz nach der Geburt in ein Heim gekommen. Seine Mutter war wenig später nach Westdeutschland gegangen, nachdem sie wegen gewerbsmäßiger Unzucht, Einfuhr von Zahlungsmitteln und Landstreicherei verurteilt worden war. Der Antragsteller wurde in ein Heim eingewiesen, die Jugendhilfe übernahm die Vormundschaft. Er verbachte seine Kindheit in unterschiedlichen Heimen sowie zeitweilig in einer Bezirksnervenklinik.

Der Versuch der Mutter im Jahr 1960 wieder in die DDR zu gelangen, scheiterte daran, dass die Mutter von der DDR nicht wieder aufgenommen und stattdessen in den Westen ausgewiesen wurde. Das Oberlandesgericht sah es trotz einiger, darauf hindeutender Indizien als nicht ausreichend erwiesen an, dass die Mutter wegen ihrer fehlenden Bereitschaft, mit der Staatssicherheit zu kooperieren, ausgewiesen wurde. Das Oberlandesgericht war nicht überzeugt davon, dass bereits zu diesem Zeitpunkt der in einem Heim befindliche Sohn als Druckmittel eingesetzt wurde.

Allerdings ließ sich in dem Rehabilitierungsverfahren nachweisen, dass der betroffene Sohn bei dem erneuten Einreiseversuch der Mutter im Jahr 1968 sehr wohl als Druckmittel der Stasi gegen die Mutter eingesetzt wurde, diese zu einer Mitarbeit bei der Stasi zu nötigen. Die Mutter ging dieses Mal darauf ein, für die Stasi zu arbeiten. Sie erhoffte sich damit, dass ihr die DDR die Möglichkeit einräume, wieder bei ihrem Sohn zu sein und für diesen in der Zukunft sorgen zu können. Die Mutter willigte damals ein, zunächst in Westberlin für die Stasi als Spion zu arbeiten. Allerdings wurde sie dort von der Westberliner Polizei unter dem Verdacht des Führens landesverräterischer Beziehungen kurzzeitig festgenommen und verhört. In dem Verhör der Westberliner Polizei gestand sie, dass sie für die Stasi tätig war und wurde im Anschluss aus der Untersuchungshaft unter Auflagen entlassen. Sofort flüchtete sie zurück in die DDR und wurde in einem Aufnahmelager untergebracht. Jetzt konnte sie endlich in der Nähe ihres Sohnes sein, den sie in der Bezirksnervenklinik besuchen konnte. Das Glück des Wiedersehens währte allerdings nur kurz, als die Stasi herausfand, dass die Mutter nicht nur festgenommen und verhört worden war, sondern auch gegenüber der (West-)Berliner Polizei gestanden hatte, für die Stasi zu arbeiten. Diese Dekonspiration gegenüber dem Klassenfeind wurde der Mutter des Betroffenen nicht verziehen. Aufgrund dieses von der Stasi als Verrat gewerteten Verhaltens der Mutter wurde diese umgehend aus der DDR wieder in den Westen abgeschoben und der betroffene Sohn musste bis zu seiner Volljährigkeit im Heim bleiben.

Das Oberlandesgericht hat in dem Beschluss vom 07.11.2017 richtiger Weise festgestellt, dass das Fortdauern der Heimunterbringung des Sohnes seit der Rückkehr der Mutter in die DDR im Jahr 1968 der politischen Verfolgung gedient hat. Die Heimunterbringung war daher aufzuheben und mein Mandant für diesen Zeitraum zu rehabilitieren. Denn die Heimunterbringung war das Mittel, die Mutter zur Zusammenarbeit mit der Stasi zu bewegen. Die Unterbringung des Betroffenen zielte daher auch darauf ab, eine politisch intendierte Benachteiligung herbeizuführen. Unerheblich ist dabei nach der Auffassung des Oberlandesgerichts, ob sich der mit der Heimfortdauer verfolgte Zweck gegen die untergebrachte Person selbst oder gegen Dritte richtete. Eine Heimunterbringung ist nämlich auch dann als rechtsstaatswidrig anzusehen, wenn sie sich gegen Eltern oder Verwandte richtete.

Fundstellen: Brandenburgisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 07.11.2017, Az. 2 Ws (Reha) 13/16

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