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Ein in Trägerschaft der katholischen Kirche stehendes Krankenhaus darf die Bewerbung eines Pflegers nicht allein deshalb ablehnen, weil dieser kein Kirchenmitglied ist. Das Arbeitsgericht Aalen hat laut Pressemitteilung vom 14.12.2012, Az. 2 Ca 4226/11, den Arbeitgeber zur Zahlung von Schadensersatz wegen des Verstoßes gegen das Benachteiligungsverbot verurteilt. Die Ablehnung des Intensivpflegers wegen der fehlenden Kirchenzughörigkeit stellt demnach eine Diskriminierung im Sinne des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) wegen der Religion dar. Etwas anderes könne wegen der verfassungsrechtlichen Sonderstellung der Kirchen nur  bei der Stellenbesetzung im pastoralen, katechetischen sowie im erzieherischen Bereich oder bei leitenden Aufgaben gelten.

Fundstellen: Arbeitsgericht Aachen, Urteil vom 14.12.2012, Az. 2 Ca 4226/11, Pressemitteilung vom 14.12.2012, Allgemeine Informationen zum (Anti-)diskriminierungsrecht

Nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) kann ein Arbeitnehmer Ansprüche auf Entschädigung oder Schadensersatz wegen unerlaubter Diskriminierungen geltend machen. Dabei sind aber zwingend die vorgeschriebenen Fristen einzuhalten. Außergerichtlich muss der Anspruch grundsätzlich innerhalb von 2 Monaten schriftlich geltend gemacht werden (vgl. § 15 Abs. 4 GG). Diese Frist verstößt laut Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vom 15.03.2012, Az. 8 AZT 160/11, nicht gegen höherrangiges Recht und muss daher beachtet werden. Im vom BAG zu entscheidenden Fall ging es um eine angebliche Diskriminierung eines Stellenbewerbers wegen Behinderung, dieser hat seine Ansprüche aber nicht innerhalb der 2 Monate nach Erhalt des Ablehnungsschreibens schriftlich geltend gemacht sondern erst einige Tage danach. Seine Klage wurde deshalb vom BAG abgewiesen.

Wurde die Frist zur außergerichtlichen Geltendmachung eingehalten, muss zudem danach innerhalb von 3 Monaten Klage beim zuständigen Arbeitsgericht erhoben werden (vgl. § 61b ArbGG). Dabei können grundsätzlich Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität zu Entschädigungsansprüchen nach dem AGG führen.

Fundstellen: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 15.03.2012, Az. 8 AZR 160/11, Pressemitteilung 21/12; Allgemeine Informationen zum Antidiskriminierungsrecht

Das Arbeitsgericht Berlin hatte mit Urteil vom 21. Juli 2011, Az. 17 Ca 1102/11, entschieden, dass die gegenüber einem als Chemisch-Technischer Assistent angestellten Mitarbeiter ausgesprochene Kündigung eines Pharmaunternehmens wirksam war. Der Arbeitgeber hatte dem Arbeitnehmer wegen dessen HIV-Infektion gekündigt. Der Arbeitnehmer befand sich noch in der Probezeit und wurde bei der Herstellung von Medikamenten eingesetzt. Der Arbeitnehmer erhob Kündigungsschutzklage und Klage auf Entschädigungszahlung nach dem  allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG), beides lehnte das Arbeitsgericht ab. Eine HIV-Infektion sei keine Behinderung im Rechtssinne, die bei entsprechender Diskriminierung eine Entschädigungszahlung auslöse, der Kündigungsschutz des Kündigungsschutzgesetzes (KSchG) wiederum greife erst nach 6 Monaten Betriebszugehörigkeit. Die gegen das Urteil gerichtete Berufung des Arbeitnehmers wies nun das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg (LAG) mit Urteil vom 13. Januar 2012, Az.  6 Sa 2159/11, ab. Das LAG schloss sich im Wesentlichen der Argumentation des Arbeitsgerichts Berlin an. Danach konnte die Kündigung nur auf einen Verstoß gegen den Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) geprüft werden, da der Kündigungsschutz des KSchG erst nach 6 Monaten Anwendung finde. Ein Verstoß gegen Treu und Glauben lag aber nach Meinung des LAG nicht vor. Einem Pharmaunternehmen könne nicht verwehrt werden, für die Medikamentenherstellung allgemein den Einsatz erkrankter Arbeitnehmer auszuschließen.  Ob die Kündigung wegen einer Infektion mit dem HI-Virus eine Diskriminierung wegen Behinderung nach dem AGG darstellt, ließ das LAG im Gegensatz zum Arbeitsgericht dahinstehen, da ein etwaige Diskriminierung zumindest „wegen des Interesses des Arbeitgebers, jedwede Beeinträchtigung der Medikamentenherstellung durch erkrankte Arbeitnehmer auszuschließen, gerechtfertigt“ sei.

Fundstellen: Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 13. Januar 2012, Az. 6 Sa 2159/11, Presseerklärung vom 13.01.2012; Arbeitsgericht Berlin, Urteil vom 21. Juli 2011, Az. 17 Ca 1102/11, Presseerkärung vom 05.08.2011; Allgemeine Informationen zum  Kündigungsschutz, Allgemeine Informationen zum Diskriminierungsrecht

Der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) hat mit Urteil vom 13.09.2011, Az. C-447/09, entscheiden, dass ein Verbot in einem Tarifvertrag für Verkehrspiloten, über das vollendete 60. Lebensjahr hinaus ihrer Tätigkeit nachzugehen, eine Diskriminierung wegen des Alters i. S. d. Richtlinie 2000/78/EG – Art. 2 Abs. 5, 4 Abs. 1 und 6 Abs. 1 darstellt.  Es stellte klar, dass ab diesem Alter zwar das Recht, dieser Tätigkeit nachzugehen, beschränkt werden kann; ein vollständiges Verbot aber über das zum Schutz der Flugsicherheit Notwendige hinausgeht. Damit wird voraussichtlich eine Klausel aus dem Tarifvertrag für das Cockpitpersonal der Deutschen Lufthansa aufgrund ihres diskriminierenden Charakters für ungültig erklärt, die das automatische Ende der Arbeitsverträge für Piloten der Deutschen Lufthansa mit Erreichen des 60. Lebensjahrs vorsah. Drei Piloten der Lufthansa hatten gegen die automatische Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses geklagt. Das Arbeitsgericht Frankfurt am Main und das Landesarbeitsgericht Hessen als Berufungsgericht wiesen die Klagen unter Verweis auf den Tarifvertrag ab. Auf Revision der Kläger hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) die Rechtsfrage, ob die beanstandete Klausel eine Diskriminierung im europarechtlichen Sinne darstellt, dem Gerichtshof der Europäischen Union vorgelegt. Die Richtlinie 2000/78/EG wurde in Deutschland vor allem im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) von 2006 umgesetzt. Das Bundesarbeitsgericht war vor Inkrafttreten des AGG der Meinung, dass durch die Festlegung der Altersgrenze bei 60 Jahren in einem Tarifvertrag wirksam sei, da die Tarifvertragsparteien in den Grenzen ihrer Normsetzungsbefugnis geblieben seien und verwies auf das Befristungsrecht im Teilzeitbefristungsgesetz (TzBfG). Nach Erlass der EU-Richtlinie und des Inkrafttretens des AGG zweifelte das BAG allerdings an seiner vorherigen Rechtsauslegung, setzte das Verfahren aus und legte die Frage deshalb zur Vorabentscheidung dem EuGH vor. Der Gerichtshof der EU stellt in seinem Urteil klar, dass die Existenz eines Verbots der Diskriminierung wegen des Alters in der EU allgemein anerkannt ist, das Verbot jeder Diskriminierung wegen des Alters ist auch in Art. 21 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union niedergelegt. Die Klausel des Tarifvertrages  begründet laut EuGH eine unmittelbar auf dem Alter beruhende Ungleichbehandlung, die Richtlinie sei auch im arbeitsrechtlichen Tarifvertragsrecht anzuwenden. Tarifvertragsvereinbarungen innerhalb der EU müssen daher die Antidiskriminierungsregeln einhalten.  Die durch die Tarifvertragsregel bewirkte Diskriminierung ist auch nicht durch die an sich legitimen Ziele der öffentlichen Sicherheit und des Schutzes der Gesundheit gerechtfertigt, da die Regel nicht notwendig und nicht angemessen ist. Denn die Altersgrenze, ab der Piloten ihrer beruflichen Tätigkeit nicht mehr nachgehen dürfen, wird auf 60 Jahre festlegt, während die nationale und die internationale Regelung dieses Alter auf 65 Jahre festlegen. Denn nach dem internationalen Regelungswerk für Privatflugzeugführer, Berufsflugzeugführer und Verkehrsflugzeugführer der Joint Aviation Authorities erlischt die Lizenz erst nach Vollendung des 65. Lebensjahres. Das Urteil wird starke Auswirkungen haben, denn die deutschen Arbeitsgerichte überprüfen derzeit die Regelungen eines Tarifvertrages nur sehr beschränkt auf dessen Wirksamkeit, das dürfte sich in Zukunft zumindest hinsichtlich diskriminierender Klauseln eines Tarifvertrages ändern.

Quelle: Gerichtshof der Europäischen Union, Urteil vom 13.09.2011, Az. C-447/09

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