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Eine Berliner Supermarktkette hat beim Verwaltungsgericht Berlin Feststellungsklage gegen das Landesamt für Arbeitsschutz des Landes Berlins eingereicht. Die Supermarktkette begehrte die Feststellung, dass  das Landesamt für Arbeitsschutz nicht von der Supermarktkette verlangen dürfe, die Samstagsöffnungszeiten und die Öffnungszeiten vor Wochenfeiertagen der Berliner Filialen so zu gestalten, dass Kundenbedienung und notwendige Tagesabschlussarbeiten bis 24:00 Uhr erledigt sein müssen. Hintergrund der Klage war, dass die Supermarktkette u. a. an Samstagen bis 24:00 Uhr die Läden geöffnet halten wollte. Das Personal sollte danach noch die Kassenabschluss- und Aufräumarbeiten des Ladens erledigen, was zirka eine halbe Stunde in Anspruch nimmt. Das Verwaltungsgericht Berlin wies die Klage mit Urteil vom 30.11.2011, Az. VG 35 K 388.09, ab.

Das Arbeitszeitgesetz (ArbZG) regelt in § 9, dass Arbeitnehmer an Sonn- und gesetzlichen Feiertagen von 0:00 bis 24:00 Uhr nicht beschäftigt werden dürfen. Zweck der Regelung ist es, die Sicherheit und den Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer bei der Arbeitszeitgestaltung zu gewährleisten sowie den Sonntag und die staatlich anerkannten Feiertage als Tage der Arbeitsruhe und der seelischen Erhebung der Arbeitnehmer zu schützen. Zudem lässt sich aus Art. 140 Grundgesetz (GG) und  Art. 139 der Weimarer Reichsverfassung (WRV) der verfassungsrechtliche Schutzauftrag entnehmen, die typische werktätige Geschäftigkeit an Sonn- und Feiertagen ruhen zu lassen. Gem. § 3 des Berliner Ladenöffnungsgesetz (BerlLadÖffG)  dürfen Verkaufsstellen an Werktagen von 0:00 Uhr bis 24:00 Uhr geöffnet sein. Die Beschäftigung von Arbeitnehmern nach 24:00 Uhr an Samstagen und vor Feiertagen stellt nach § 22 Abs. 1 Nr. 5 ArbZG eine Ordnungswidrigkeit dar, die  mit Geldbußen sanktioniert werden kann.

Die Supermarktkette stützt sich im Wesentlichen auf die Ausnahmereglung im Berliner Ladenöffnungsgesetz, wonach eine Arbeitszeit von weiteren 30 Minuten in Ausnahmefällen zulässig sein kann und auf den  Manteltarifvertrag für den Berliner Einzelhandel (MTV). Dem folgt das Verwaltungsgericht nicht, zwar dürfen bei Ladenschluss anwesende Kundinnen und Kunden noch bedient werden, eine generelle Erlaubnis zur Erledigung von Tagesabschlussarbeiten, auch (und gerade) in einen Sonn- oder Feiertag hinein, lasse sich den Ausnahmeregelungen aber gerade nicht entnehmen. Das Arbeitszeitgesetz des Bundes sehe nur Ausnahmen für mehrschichtige Betriebe mit regelmäßiger Tag- und Nachtschicht vor, zu denen die Supermarktfilialen nicht gehören. Auch die weiteren im ArbZG vorgesehenen Ausnahmen seien nicht einschlägig, da es der Supermarktkette nur darum gehe, die erlaubten Ladenöffnungszeiten auch an Samstagen und vor Feiertagen voll auszuschöpfen und dies laut dem Urteil lediglich der Umsatzsteigerung sowie werbe- und marketingtechnischen Interessen der Superamarktkette, aber nicht zwingenden betrieblichen Erfordernissen diene. Auch aus dem Ladenschlussgesetz des Bundes ergebe sich nicht anderes. Die Berufung gegen das Urteil wurde wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Angelegenheit zugelassen.

Fundstellen: Verwaltungsgericht Berlin, Urteil vom 30.11.2011, Az. VG 35 K 388.09

Das Bundessozialgericht (BSG) hat § 1 Abs. 7 Nr. 2 d des Elterngeldgesetzes (BEEG) dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) im Rahmen der konkreten Normenkontrolle zur Entscheidung vorgelegt, diese Norm ordnet den Ausschluss von Ausländern mit einer Aufenthalterlaubnis nach § 104a Aufenthaltsgesetz (AufenthG) vom Elterngeldbezug an. Nach Art. 100 Abs. 1 S. 1 Grundgesetz (GG) muss ein Gericht so das Verfahren auszusetzen, wenn es ein Gesetz, auf dessen Gültigkeit es bei der Entscheidung ankommt, für verfassungswidrig hält. Die Aufenthaltserlaubnis nach § 104a AufenthG wird Ausländern grundsätzlich nur erteilt, wenn sie sich seit mindestens acht Jahren ununterbrochen rechtmäßig in Deutschland aufhalten. Außerdem müssen sie weitere Voraussetzungen nachweisen wie z. B. ausreichenden Wohnraum,  hinreichende Deutschkenntnisse, Fehlen von Vorstrafen einer gewissen Höhe. Den Ausschluss „geduldeter“ Ausländer vom Elterngeld sieht das BSG wegen Verstoßes gegen das Gleichbehandlungsgebot des Art 3 Abs. 1 GG als verfassungswidrig an. Art. 3 Abs. 1 GG lautet: „Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.“ Daraus wird abgeleitet, dass alle Menschen gleich zu behandeln sind, wenn eine Ungleichbehandlung sich nicht durch einen sachlichen Grund rechtfertigen lässt. Ein sachlicher Grund ist hier nicht gegeben, denn langjährig geduldete Ausländer, die eine Aufenthaltserlaubnis nach § 104a AufenthG besitzen, sind zur Aufnahme einer Erwerbstätigkeit berechtigt, sie besitzen ein gewisses Maß an Integration und die Aufenthaltserlaubnis kann verlängert werden. Eine günstige Daueraufenthaltsprognose kann daher durchaus vorliegen. Laut Presseerklärung des BSG kann der Gesetzgeber aber nur dann Ausländer vom Elterngeld ausschließen, wenn sie voraussichtlich nicht auf Dauer in Deutschland bleiben oder hier nicht arbeiten dürfen. Eine weitergehende Ungleichbehandlung von Ausländern verstößt danach  gegen das Grundgesetz.

Fundstellen: Presserklärung des Bundessozialgerichts vom 15.12.2011

Aufgrund der veränderten Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zu Bagatellkündigungen (vgl. Fall Emmely) hat das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg in einem Rechtsstreit über die Anfechtung eines Aufhebungsvertrags einen Beschluss des Arbeitsgerichts  Berlin vom 03.08.2011 aufgehoben. Das Arbeitsgericht Berlin hatte die Gewährung von Prozesskostenhilfe dem Kläger versagt, der sich mit der Klage und dem Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe gegen die Beendigung des Arbeitsvertrages durch einen Aufhebungsvertrag wandte. Der Kläger war 34 Jahre beanstandungsfrei bei der Beklagten als Fleischer angestellt gewesen, er soll bei seiner Arbeit einige Bouletten aus einem Mittagstischgericht Königsberger Klopse bei der Arbeit verspeist haben. Dabei soll er von einem Ladendetektiv beobachtet worden sein. Nach eigenem Vortrag wurde der Kläger darauf von den Mitarbeitern der Beklagten vor die Alternative gestellt, dass der Kläger einen Aufhebungsvertrag mit einer verkürzten Kündigungsfrist ohne Abfindung unterschreibt oder für den Fall dass er diesen nicht unterschreibt, eine sofortige, außerordentliche Kündigung erhält.  Der Kläger unterschrieb nach eigenem Vortrag deshalb den Aufhebungsvertrag, anschließend erklärte er die Anfechtung des Aufhebungsvertrages wegen widerrechtlicher Drohung. Dabei stellte der Kläger auf die Drohung mit der fristlosen Kündigung ab, diese sei auch widerrechtlich. Dabei sei darauf abzustellen, ob ein verständiger Arbeitgeber eine solche Kündigung ernsthaft in Erwägung gezogen hätte. Zur Prüfung der Wirksamkeit einer hypothetischen Kündigung hat eine Bewertung des Einzelfalls unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu erfolgen. Die Umstände, anhand derer zu beurteilen ist, ob dem Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung zumutbar ist oder nicht, lassen sich nicht abschließend festlegen. Zu berücksichtigen sind aber regelmäßig das Gewicht und die Auswirkungen einer Vertragspflichtverletzung – etwa im Hinblick auf das Maß eines durch sie bewirkten Vertrauensverlusts und ihre wirtschaftlichen Folgen -, der Grad des Verschuldens des Arbeitnehmers, eine mögliche Wiederholungsgefahr sowie die Dauer des Arbeitsverhältnisses und dessen störungsfreier Verlauf. Eine außerordentliche Kündigung kommt nur in Betracht, wenn es keinen angemessenen Weg gibt, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen, weil dem Arbeitgeber sämtliche milderen Reaktionsmöglichkeiten unzumutbar sind. Als mildere Reaktionen sind insbesondere Abmahnung und ordentliche Kündigung anzusehen. Sie sind dann alternative Gestaltungsmittel, wenn schon sie geeignet sind, den mit der außerordentlichen Kündigung verfolgten Zweck – die Vermeidung des Risikos künftiger Störungen – zu erreichen (vgl. Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 10.6.2010, 2 AZR 541/09, Rn. 34). Hier wäre eine Kündigung wegen des Vorwurfs einen Königsberger Klops unter Beachtung des Ultima-Ratio-Prinzips und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen unter keinem Aspekt gerechtfertigt, eine etwaige Bagatellkündigung hätte keinen Bestand gehabt, da eine Abmahnung in jedem Fall das mildere, gleich wirksame Mittel gewesen wäre. Eine Weiterbeschäftigung wäre auch ohne weiteres zumutbar gewesen. So lautete jedenfalls der Vortrag des Arbeitnehmers.

Das Arbeitsgericht Berlin lehnte dennoch den Antrag des Klägers durch Beschluss mit der Begründung ab, dass die Klage keine Aussicht auf Erfolg habe, denn die Widerrechtlichkeit der Drohung sei nicht erkennbar. Dagegen erhob der Kläger die sofortige Beschwerde, woraufhin das Landesarbeitsgericht mit Beschluss vom 15.09.2011, Az. 24 Ta 1849/11, den Beschluss des Arbeitsgerichts Berlin aufhob und die Sache ans Arbeitsgericht Berlin zurückverwies. Das Landesarbeitsgericht führt zur Begründung mit einer luziden Begründung aus:

Die Androhung des Arbeitgebers, das Arbeitsverhältnis durch eine außerordentliche Kündigung beenden zu wollen, falls der Arbeitnehmer nicht selbst kündige oder einen Aufhebungsvertrag abschließe, stellt die Ankündigung eines zukünftigen empfindlichen Übels dar, dessen Verwirklichung in der Macht des ankündigenden Arbeitgebers liegt. Die Drohung muss nicht ausgesprochen werden und kann auch durch schlüssiges Verhalten erfolgen … Die Drohung mit einer außerordentlichen Kündigung ist widerrechtlich, wenn ein verständiger Arbeitgeber eine solche Kündigung nicht ernsthaft in Erwägung ziehen durfte. Die Widerrechtlichkeit der Kündigungsandrohung kann sich regelmäßig nur aus der Inadäquanz von Mittel Zweck ergeben. Hat der Drohende an der Erreichung des verfolgten Zwecks kein berechtigtes Interesse oder ist die Drohung nach Treu und Glauben nicht mehr als angemessenes Mittel zur Erreichung des Zwecks anzusehen, so ist die Drohung widerrechtlich … Nur wenn der Arbeitgeber unter Abwägung aller Umstände des Einzelfalls davon ausgehen muss, die angedrohte Kündigung werde im Falle ihres Ausspruchs einer arbeitsgerichtlichen Überprüfung mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht standhalten, darf er die außerordentliche Kündigungserklärung nicht in Aussicht stellen, um damit den Arbeitnehmer zum Abschluss einer Beendigungsvereinbarung zu veranlassen … Das Bundesarbeitsgericht hat mit Urteil vom 10.06.2011 -2 AZR 541/09 – entschieden, das Gesetz kenne auch im Zusammenhang mit strafbaren Handlungen des Arbeitnehmers keine absoluten Kündigungsgründe … Allein die grundsätzliche Geeignetheit eines Sachverhaltes, eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen, rechtfertigt nicht die Drohung mit einer Kündigung, weil der Arbeitgeber dann nicht alle Umstände des Einzelfalles abgewogen hat.

Mit dem Beschluss schafft das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg Klarheit über die Voraussetzungen einer erfolgreichen Anfechtung eines unter dem Eindruck einer rechtswidrigen Kündigungsdrohung geschlossenen Aufhebungsvertrages. Die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zum Fall Emmely ist dabei zu beachten und kann unter den gegebenen Umständen eine erfolgreiche Anfechtung erleichtern.

Fundstelle: Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 15. September 2011, Az.  24 Ta 1849/11

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hatte am 17.08.2011 die Klage eines angestellten Juristen zu entscheiden, der auf Abgeltung seiner geleisteten Überstunden geklagt hat. Es stellte dabei einige grundsätzliche Erwägungen zur Abgeltung von Überstunden an, wies die Klage aber im Ergebnis mit Urteil vom 17.08.2011, Az. 5 AZR 406/10, ab. Der Kläger machte mit der Klage für den Zeitraum von zirka 2 Jahren die Zahlung für Überstunden geltend. Hinsichtlich der Frage, ob Überstunden zu vergüten sind, ist zunächst darauf abzustellen, ob der Arbeitsvertrag diesbezüglich Regelungen enthält. Im vom Bundesarbeitsgericht zu entscheidenden Fall enthielt der Vertrag die Vereinbarung, dass durch die zu zahlende Bruttovergütung eine etwaig notwendig werdende Über- oder Mehrarbeit abgegolten sei. Da es sich bei der Regelung in dem Arbeitsvertrag um eine für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierten Vertragsbedingung handelte, unterlag diese jedoch der Inhaltskontrolle für Allgemeine Geschäftsbedingungen. Demnach muss die Klausel dem Transparenzgebot entsprechen, wonach sich die zur Unwirksamkeit führende unangemessene Benachteiligung aus der mangelnden Klarheit und Verständlichkeit der Bedingung ergeben kann. Das BAG führt in dem Urteil vom 17.08.2011 aus: „Eine die pauschale Vergütung von Überstunden regelnde Klausel ist nur dann klar und verständlich, wenn sich aus dem Arbeitsvertrag selbst ergibt, welche Arbeitsleistungen in welchem zeitlichen Umfang von ihr erfasst werden sollen. Der Arbeitnehmer muss bereits bei Vertragsschluss erkennen können, was ggf. „auf ihn zukommt“ und welche Leistung er für die vereinbarte Vergütung maximal erbringen muss.“ Die oben genannte Klausel entspricht dem nicht, da weder deren Umfang im Arbeitsvertrag genauer bestimmt sei, noch die Voraussetzungen, unter denen notwendige Überstunden geleistet werden müssen, näher umrissen werden. Die Klausel ist daher unwirksam. Enthält der Arbeitsvertrag keine Regelung zur Vergütung von Überstunden, so gilt eine Vergütung als stillschweigend vereinbart, wenn die Dienstleistung den Umständen nach nur gegen eine Vergütung zu erwarten ist (vgl. § 612 BGB). Das Bundesarbeitsgericht stellt insoweit fest, dass es eine objektive Vergütungserwartung in weiten Teilen des Arbeitslebens als gegeben ansieht. Es gibt einen allgemeinen Rechtsgrundsatz dergestalt, dass jede Mehrarbeitszeit oder jede dienstliche Anwesenheit über die vereinbarte Arbeitszeit hinaus zu vergüten ist. Dieser gilt bei Diensten höherer Art jedoch gerade nicht. Als Dienste höherer Art werden Tätigkeiten bezeichnet, bei denen der Inhalt im Wesentlichen frei vom Arbeitnehmer gestaltet werden kann. Bei ihnen verbleibt regelmäßig ein hohes Maß an Gestaltungsfreiheit, Eigeninitiative und fachlicher Selbständigkeit. Es bedürfe insoweit immer einer Gesamtschau in jedem Einzelfall, ob die Überstunden zu vergüten sind. Dabei sei auf die Verkehrssitte, der Art, des Umfangs und der Dauer der Dienstleistung sowie der Stellung der Beteiligten zueinander abzustellen. Bei einem angestellten Rechtsanwalt mit einem deutlich herausgehobenen Gehalt verneint das BAG eine derartige Verkehrssitte. Es ist der Meinung, dass ein angestellter Rechtsanwalt Überstunden auch ohne zusätzliche Vergütung leisten muss, ohne dafür eine entsprechende Vergütung verlangen zu können. Zugebener Maßen wird man von einem Juristen verlangen können, dass er bereits bei Vertragsschluss des Arbeitsvertrages darauf achtet, dass eine entsprechende Vergütungsklausel für Überstunden aufgenommen wird. Der Schluss des Bundesarbeitsgerichts, dass bei Fehlen einer derartigen Klausel im Arbeitsvertrag ein angestellter Rechtsanwalt umsonst Überstunden zu leisten hat, überzeugt dagegen wenig. Bei einem als freien Mitarbeiter angestellten Rechtsanwalt mag das Ergebnis noch plausibel anmuten, bei einem fest angestellten Rechtsanwalt dürfte hingegen -wie bei den meisten anderen Arbeitnehmern auch- vieles trotz Fehlens eines einschlägigen Tarifvertrages für eine Verkehrssitte sprechen, wonach Überstunden nicht umsonst zu leisten sind.

Fundstellen: Bundesarbeitsgericht,  Urteil vom 17.08.2011, Az. 5 AZR 406/10

Das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz in Mainz (LArbG Mainz) hat mit Urteil vom 07.04.2011, Az. 5 Sa 604/10, entschieden, dass Weihnachtsgeld, das vom Arbeitgeber aufgrund einer betrieblichen Übung jahrelang vorbehaltlos gewährt wurde, grundsätzlich weiter zu gewähren ist. Das gilt selbst dann, wenn das Unternehmen wirtschaftlich in eine schwierigere Situation gerät und das Weihnachtsgeld drei Jahre nacheinander nur unter dem Vorbehalt der Freiwilligkeit gezahlt wurde. Im vom LArbG Mainz entschiedenen Fall hatte das Unternehmen Kurzarbeit angeordnet, da die Geschäfte nicht so gut wie in den Vorjahren liefen. In den vorangegangenen drei Jahren wurde das Weihnachtgeld zwar gezahlt, der Arbeitgeber erklärte aber jeweils einen Vorbehalt, dass das Weihnachtsgeld nur unter dem Vorbehalt der Freiwilligkeit und in Abhängigkeit von der wirtschaftlichen Situation des Unternehmens gezahlt werde. In den Jahren davor wiederum war das Weihnachtsgeld ohne Vorbehalt gezahlt worden. Die Arbeitsverträge enthielten keine Regelung zum Weihnachtsgeld. Das LArbG Mainz ging in dem Urteil davon aus, dass der Arbeitgeber auch weiterhin verpflichtet sei, dass Weihnachtsgeld zu zahlen, denn es bestehe eine betriebliche Übung, die den Arbeitgeber dazu verpflichte. Unter einer betrieblichen Übung wird die gleichförmige, regelmäßige Wiederholung bestimmter Verhaltensweisen des Arbeitgebers verstanden, die den Inhalt der Arbeitsverhältnisse gestaltet und geeignet ist, vertragliche Ansprüche zu begründen, wenn die Arbeitnehmer des Betriebes aus dem Verhalten des Arbeitgebers darauf schließen durften, ihnen solle eine Leistung oder Vergünstigung auf Dauer auch zukünftig gewährt werden. Entscheidend sei dabei, ob die Arbeitnehmer dem Verhalten des Arbeitgebers einen Verpflichtungswillen entnehmen können. Das war vorliegend der Fall. Die Zahlung des Weihnachtsgeldes unter Freiwilligkeitsvorbehalt stellt keine dem entgegen stehende, gegenläufige betriebliche Übung dar, die zur Aufhebung des Weihnachtsgeldanspruches führe. Das LArbG Mainz beruft sich insoweit auf ein Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vom 18.03.2009, Az. 10 AZR 281/08, in dem das BAG seine bis dahin herrschende Rechtsprechung zur gegenläufigen, betrieblichen Übung aufgegeben hat. Es stellte explizit klar, dass bei jahrelang vorbehaltlos geleisteter Weihnachtsgeldzahlung der Anspruch des Arbeitnehmers aus betrieblicher Übung nicht dadurch aufgehoben wird, dass der Arbeitgeber später erklärt, die Zahlung des Weihnachtsgeldes sei eine freiwillige Leistung und begründe keinen Rechtsanspruch und der Arbeitnehmer der neuen Handhabung über einen Zeitraum von drei Jahren hinweg nicht widerspricht. Denn nach der vom Bundesarbeitsgericht in ständiger Rechtsprechung vertretenen Vertragstheorie werden durch eine betriebliche Übung vertragliche Ansprüche der Arbeitnehmer auf die üblich gewordenen Leistungen begründet, so dass der Arbeitgeber dem widerspruchslosen Fortsetzen der Tätigkeit des Arbeitnehmers regelmäßig nicht das Einverständnis des Arbeitnehmers mit der Aufgabe seines bisherigen Rechtsanspruchs auf die Gratifikation entnehmen kann. Das gilt nach dem Urteil des LArbG Mainz selbst dann, wenn der Arbeitnehmer den Freiwilligkeitsvorbehalt unterzeichnet hat, denn dadurch drücke der der Arbeitnehmer nur die Kenntnisnahme der einseitig vorgegebenen Modalitäten aus nicht  aber das Einverständnis mit diesen.

Fundstelle: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz, Urteil vom 07.04.2011, Az. 5 Sa 604/10; Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 18.03.2009, 10 AZR 281/08

Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg (LArbG) hat mit Urteil vom 22.07.2011, Az. 10 Sa 668/11, entscheiden, dass die Klausel in einem Arbeitsvertrag, wonach der Arbeitnehmer monatlich bis zu 260 Stunden monatlich exklusive Pausen zu arbeiten hat, gesetzeskonform ist. Der Arbeitnehmer war als Kraftfahrer angestellt. Der Arbeitgeber wollte den monatlichen Arbeitslohn von 3.600 € brutto auf 1.363,08 € brutto kürzen, das begründete der Arbeitgeber u. a. damit, dass die Arbeitszeitregel gegen den Manteltarifvertrag für die Beschäftigten des privaten Verkehrsgewerbe Sachsen-Anhalt (MTV) verstoße. Nach Meinung des Arbeitgebers sei eine monatliche Arbeitszeit von maximal 208 Stunden nach Arbeitszeitgesetz (ArbZG) zulässig. Das Landesarbeitsgericht sah in den vereinbarten Vertragsklauseln Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB), die es einer Inhaltskontrolle unterzog. Es kommt danach zu dem Ergebnis, dass in dem Arbeitsvertrag zwar auf Tarifrecht Bezug genommen worden war, ob die Arbeitszeitregel gegen geltende Tarifverträge verstoße, prüfte das Gericht allerdings nicht. Denn die in dem Arbeitsvertrag enthaltene Klausel „Vertragsgrundlagen sind die jeweils zwischen den Arbeitgeber- und Arbeitnehmer-Organisationen gültigen Lohn- und Manteltarifverträge“ stellt nach dem Urteil des Landesarbeitsgerichts keine wirksame Bezugnahmeklausel dar, da sie inhaltlich völlig unklar und unbestimmt sei. Aus ihr sei nicht zu entnehmen auf welche Tarifverträge sich die Klausel beziehe, zumal nicht einmal die Tarifvertragsparteien oder der Gegenstand des Tarifvertrages näher bezeichnet worden waren. Entscheidende Bedeutung kam dem Umstand zu, dass keine strikte Festlegung auf 260 Stunden erfolgt war, sondern nur ein Spielraum hinsichtlich der Arbeitszeit von 0 Stunden „bis zu“ 260 Stunden vereinbart worden war. Außerdem sei die Regelung auch nicht gesetzwidrig, sie verstoße weder gegen § 3 ArbZG noch gegen § 21a Abs. 4 ArbZG. Nach § 3 S. 1 ArbZG darf die Arbeitszeit eines Arbeitnehmers grundsätzlich acht Stunden täglich nicht überschreiten. Die Beschäftigung im Straßentransport wird in § 21a ArbZG näher geregelt, danach darf die Arbeitszeit 48 Stunden wöchentlich nicht überschreiten (§ 21 a Abs.4 S. 1 ArbZG). Beide Regelungen sehen allerdings als Ausnahmeregel vor, „dass Arbeitnehmer in jedem beliebigen Zeitraum von sechs bzw. vier Monaten werktäglich bis zu 10 Stunden bzw. wöchentlich bis zu 60 Stunden beschäftigt werden dürfen, sofern sie nur in dem Referenzzeitraum 8 Stunden werktäglich bzw. 48 Stunden wöchentlich nicht überschreiten.“ Aufgrund der weitgehenden Flexibilisierung der in dem Arbeitsvertrag vereinbarten Arbeitszeit verstößt die Regelung eine monatlichen Arbeitszeit von bis zu 260 Stunden demnach nicht gegen das Arbeitszeitgesetz, zumal dieses mehre Ausnahmeregeln vorsieht, die eine zeitweise Überschreitung von 260 Arbeitsstunden pro Monat zulassen.

Fundstelle: Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 22.07.2011, Az. 10 Sa 668/11

Der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) hat mit Urteil vom 13.09.2011, Az. C-447/09, entscheiden, dass ein Verbot in einem Tarifvertrag für Verkehrspiloten, über das vollendete 60. Lebensjahr hinaus ihrer Tätigkeit nachzugehen, eine Diskriminierung wegen des Alters i. S. d. Richtlinie 2000/78/EG – Art. 2 Abs. 5, 4 Abs. 1 und 6 Abs. 1 darstellt.  Es stellte klar, dass ab diesem Alter zwar das Recht, dieser Tätigkeit nachzugehen, beschränkt werden kann; ein vollständiges Verbot aber über das zum Schutz der Flugsicherheit Notwendige hinausgeht. Damit wird voraussichtlich eine Klausel aus dem Tarifvertrag für das Cockpitpersonal der Deutschen Lufthansa aufgrund ihres diskriminierenden Charakters für ungültig erklärt, die das automatische Ende der Arbeitsverträge für Piloten der Deutschen Lufthansa mit Erreichen des 60. Lebensjahrs vorsah. Drei Piloten der Lufthansa hatten gegen die automatische Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses geklagt. Das Arbeitsgericht Frankfurt am Main und das Landesarbeitsgericht Hessen als Berufungsgericht wiesen die Klagen unter Verweis auf den Tarifvertrag ab. Auf Revision der Kläger hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) die Rechtsfrage, ob die beanstandete Klausel eine Diskriminierung im europarechtlichen Sinne darstellt, dem Gerichtshof der Europäischen Union vorgelegt. Die Richtlinie 2000/78/EG wurde in Deutschland vor allem im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) von 2006 umgesetzt. Das Bundesarbeitsgericht war vor Inkrafttreten des AGG der Meinung, dass durch die Festlegung der Altersgrenze bei 60 Jahren in einem Tarifvertrag wirksam sei, da die Tarifvertragsparteien in den Grenzen ihrer Normsetzungsbefugnis geblieben seien und verwies auf das Befristungsrecht im Teilzeitbefristungsgesetz (TzBfG). Nach Erlass der EU-Richtlinie und des Inkrafttretens des AGG zweifelte das BAG allerdings an seiner vorherigen Rechtsauslegung, setzte das Verfahren aus und legte die Frage deshalb zur Vorabentscheidung dem EuGH vor. Der Gerichtshof der EU stellt in seinem Urteil klar, dass die Existenz eines Verbots der Diskriminierung wegen des Alters in der EU allgemein anerkannt ist, das Verbot jeder Diskriminierung wegen des Alters ist auch in Art. 21 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union niedergelegt. Die Klausel des Tarifvertrages  begründet laut EuGH eine unmittelbar auf dem Alter beruhende Ungleichbehandlung, die Richtlinie sei auch im arbeitsrechtlichen Tarifvertragsrecht anzuwenden. Tarifvertragsvereinbarungen innerhalb der EU müssen daher die Antidiskriminierungsregeln einhalten.  Die durch die Tarifvertragsregel bewirkte Diskriminierung ist auch nicht durch die an sich legitimen Ziele der öffentlichen Sicherheit und des Schutzes der Gesundheit gerechtfertigt, da die Regel nicht notwendig und nicht angemessen ist. Denn die Altersgrenze, ab der Piloten ihrer beruflichen Tätigkeit nicht mehr nachgehen dürfen, wird auf 60 Jahre festlegt, während die nationale und die internationale Regelung dieses Alter auf 65 Jahre festlegen. Denn nach dem internationalen Regelungswerk für Privatflugzeugführer, Berufsflugzeugführer und Verkehrsflugzeugführer der Joint Aviation Authorities erlischt die Lizenz erst nach Vollendung des 65. Lebensjahres. Das Urteil wird starke Auswirkungen haben, denn die deutschen Arbeitsgerichte überprüfen derzeit die Regelungen eines Tarifvertrages nur sehr beschränkt auf dessen Wirksamkeit, das dürfte sich in Zukunft zumindest hinsichtlich diskriminierender Klauseln eines Tarifvertrages ändern.

Quelle: Gerichtshof der Europäischen Union, Urteil vom 13.09.2011, Az. C-447/09

Es besteht die Möglichkeit Prozesskostenhilfe für ein Gerichtsverfahren zu beantragen, wenn der Antragsteller bedürftig im Sinn der Regelungen über Prozesskostenhilfe ist und wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.  Dabei  kommt es entscheidend auf die Vermögensverhältnisse des Klägers bzw. des Beklagten an, nicht aber auf die Vermögensverhältnisse von dessen Ehepartner. Dessen Vermögen wird nur im Rahmen der Unterhaltsfreibeträge berücksichtigt. Das Landesarbeitsgericht Berlin hat diese Rechtslage mit Beschluss vom 11.07.2011, Az. 9 Ta 1418/11, erneut bestätigt.  Es beruft sich dabei auf einen Beschluss des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vom 05.04.2006, Az. 3 AZB 61/04. Das BAG hatte bereits entscheiden, dass das Einkommen der Partei und  nicht das Familieneinkommen beider Ehegatten zusammen maßgebend zur Feststellung der Voraussetzungen der Prozeskostenhilfegewährung ist. Das Landesarbeitsgericht führt in seinem Beschluss aus:

„Der Lebensunterhalt und Lebensstandard des Einzelnen bestimmt sich zwar nicht allein durch sein Einkommen; die Einkünfte der anderen Familienmitglieder kommen letztlich allen zu Gute; es wird regelmäßig „aus einem Topf“ gewirtschaftet. Dennoch schließt § 115 ZPO eine Zusammenrechnung der Einkommen sämtlicher Familienmitglieder eindeutig aus. Dies ist als gesetzgeberische Entscheidung hinzunehmen. Eine andere Betrachtungsweise ist auch nicht in Folge der derzeitigen Gestaltung des Vordrucks über die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse (§ 117 Abs. 2 ZPO) geboten, wonach auch nach dem Einkommen des Ehegatten gefragt wird. Denn dies beruht nicht auf gesetzlichen Vorgaben. Das Einkommen eines gut verdienenden Hausgenossen findet allein dann Berücksichtigung, wenn dem Antragsteller tatsächliche geldwerte Leistungen zugute kommen; diese rechnen dann zu seinem Einkommen.“

Nur ausnahmsweise kann aus Billigkeitserwägungen ein Unterhaltsanspruch auf Prozesskostenvorschuss gegen den Ehepartner zum Vermögen gezählt werden. Der Anspruch auf Prozesskostenvorschuss muss zudem alsbald realisierbar sein, seine Durchsetzung muss zumutbar sein  und ohne Rechtseinbußen verbunden sein.  Das Bundesarbeitsgericht führt insoweit in dem Beschluss vom 05.04.2006 aus, dass es keinem Hilfsbedürftigen zuzumuten sei, vor Beginn seines Rechtsstreits einen weiteren, unsicheren Prozess um den Prozesskostenvorschuss zu führen. Im Normalfall dürfte das Einkommen des Ehepartners daher im Rahmen der Prozesskostenhilfegewährung nicht anzurechnen sein, das Prozesskostenhilferecht kennt die sozialrechtliche Bedarfsgemeinschaft in diesem Sinne nicht.

Fundstellen: Landesarbeitsgericht Berlin, Beschluss vom 11.07.2011, Az. 9 Ta 1418/11; Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 05.04.2006, Az. 3 AZB 61/04

Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg hat ein neues Urteil zur Leiharbeit verkündet, danach muss das verklagte Zeitarbeitsunternehmen rückwirkend den Arbeitslohn des Zeitarbeiters nachzahlen, da im Arbeitsvertrag auf einen unwirksam Tarifvertrag der CGZP verwiesen wurde.

Im Rahmen der Leiharbeit gilt der Grundsatz des Equal-Pay (Gleicher Lohn für gleiche Arbeit). Einem Leiharbeiter muss demnach grundsätzlich der gleiche Lohn gezahlt werden wie einem festangestellten Arbeitnehmer im Entleihunternehmen. Das ergibt sich direkt aus dem Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG). Gem. § 9 Nr. 2 AÜG sind Vereinbarungen unwirksam „die für den Leiharbeitnehmer für die Zeit der Überlassung an einen Entleiher schlechtere als die im Betrieb des Entleihers für einen vergleichbaren Arbeitnehmer des Entleihers geltenden wesentlichen Arbeitsbedingungen einschließlich des Arbeitsentgelts vorsehen.“ S. 2 von § 9 Nr. 2 AÜG sieht jedoch eine Öffnungsklausel vor, danach kann in Tarifverträgen vom Prinzip des Equal-Pay abwichen werden. Dementsprechend wurden zahlreiche Tarifverträge u. a. von der Tarifgemeinschaft Christlicher Gewerkschaften für Zeitarbeit und Personalserviceagenturen (CGZP) geschlossen, die Abweichungen zuungunsten der Leiharbeit vom Equal-Pay-Prinzip zulassen.

Lange Zeit war die Tariffähigkeit der Tarifgemeinschaft Christlicher Gewerkschaften für Zeitarbeit und Personalserviceagenturen (CGZP) umstritten. Das Arbeitsgericht Berlin hatte durch Beschluss am 01.04.2009, Az. 35 BV 17008/08, entschieden, dass die CGZP wegen fehlender sozialer Mächtigkeit nicht tariffähig sei. Das Landesarbeitsgericht Berlin schloss sich mit Beschluss vom 7. Dezember 2009, Az. 23 TaBV 1016/09, der Meinung des Arbeitsgerichts Berlin im Wesentlichen an. Das Bundesarbeitsgericht entschied zwar mit Beschluss vom 14.12.2010, 1 ABR 19/10 auch, dass die CGZP nicht tariffähig ist, es ging aber auf die fehlende Tarifmächtigkeit nicht weiter ein, sondern begründete das Urteil mit einem Satzungsfehler der CGZP. Der Beschluss des BAG war ausdrücklich gegenwartsbezogen im Hinblick auf die Satzung der CGZP vom 05.12.2005 und auf die Änderung der Satzung am 08.10.2009. Hinsichtlich der Vergangenheit war die Rechtslage daher noch nicht abschließend geklärt worden.

Die Entscheidungen haben folgenden rechtlichen Hintergrund. Um wirksam einen Tarifvertrag schließen zu können, müssen die vertragschließenden Parteien überhaupt tariffähig sein. An der Tariffähigkeit der CGZP bestanden wegen einer möglicher Weise fehlenden sozialen Tarifmächtigkeit Zweifel. Das Land Berlin und einige Konkurrenzgewerkschaften wie z. B. ver.di hatten vor dem Arbeitsgericht auf Feststellung geklagt, dass die CGZP nicht tariffähig sei. Der Hintergrund ist, dass die CGZP seit Tag ihrer Gründung, am 12.12.2002, eine Vielzahl von Firmen- und Verbandstarifverträgen abgeschlossen hat. In der CGZP sind jedoch relativ wenig Mitglieder organisiert. Die Mitglieder setzen sich größtenteils aus den Gewerkschaften im Christlichen Gewerkschaftsbund Deutschlands (CGB), der Berufsgewerkschaft e.V. (DHV) und der Gewerkschaft Öffentlicher Dienst und Dienstleistungen (GÖD)  zusammen. Am 31. 12.2008 waren in den Mitgliedsgewerkschaften der CGZP nach eigenen Angaben lediglich 1.383 Leiharbeitnehmer organisiert. Die Zahl der Leiharbeiter betrug zu diesem Zeitpunkt in Deutschland insgesamt 760.604 Arbeitnehmer. Ver.di trug in dem Verfahren vor, dass mit den Vereinbarungen der CGZP der gesetzliche Mindestschutz der Leiharbeitnehmer einseitig zu deren Lasten im Interesse der Arbeitgeber verschlechtert werde. Aufgrund der geringen Anzahl von Leiharbeitern unter den Mitglieder fehle die erforderliche Durchsetzungskraft.  Die CGZP erwiderte, dass das Verfahren von ver.di rechtsmissbräuchlich betrieben werde, da es ihr  darum ginge einen missliebigen Konkurrenten auszuschalten. Es war hierbei zu beachten, dass der Begriff der Tariffähigkeit gesetzlich nicht definiert ist. Unter Tariffähigkeit versteht man die rechtliche Fähigkeit, durch Vereinbarung mit dem sozialen Gegenspieler Arbeitsbedingungen tarifvertraglich mit der Wirkung zu regeln, dass sie für die tarifgebundenen Personen unmittelbar und unabdingbar wie Rechtsnormen gelten. Die Tariffähigkeit ist Voraussetzung für den Abschluss von Tarifverträgen. Mindestvoraussetzungen um als Gewerkschaft zu gelten und damit tariffähig zu sein, sind nach der Rechtsprechung des BAG, dass sie sich als satzungsgemäße Aufgabe die Wahrnehmung der Interessen ihrer Mitglieder in deren Eigenschaft als Arbeitnehmer gesetzt hat und willens ist, Tarifverträge abzuschließen. Sie muss frei gebildet, gegnerfrei, unabhängig und auf überbetrieblicher Grundlage organisiert sein und das geltende Tarifrecht als verbindlich anerkennen. Weiterhin ist Voraussetzung, dass die Arbeitnehmervereinigung ihre Aufgabe als Tarifpartnerin sinnvoll erfüllen kann. Dazu gehören die durch ihre Mitglieder vermittelte Durchsetzungskraft gegenüber dem sozialen Gegenspieler und eine leistungsfähige Organisation. Bei der CGZP handelt es sich um eine sogenannte Spitzenorganisation, da in ihr mehrere Gewerkschaften zusammengeschlossen sind, in deren Namen sie Tarifverträge abschließen darf. Die sich zu einer Spitzenorganisation zusammenschließenden Arbeitnehmerkoalitionen müssen allerdings selbst tariffähig sein. Dies setzt die Tariffähigkeit von sämtlichen das Tarifgeschehen der Spitzenorganisation bestimmenden Gewerkschaften voraus. Das Bundesarbeitsgericht lässt in seiner Entscheidung dahinstehen, ob die CGZP überhaupt von tariffähigen Arbeitnehmervereinigungen gebildet wird, denn zumindest haben die Mitgliedsgewerkschaften ihre Tariffähigkeit nicht vollständig auf die CGZP übertragen, was aber wegen der Unteilbarkeit der Tarifhoheit notwendig gewesen wäre. Die Mitgliedsgewerkschaften hatten den Organisationsbereich der CGZP auf den Bereich der Arbeitnehmerüberlassung beschränkt, selbst waren sie laut jeweiliger Satzung aber auch für andere Gebiete zuständig. Zum anderen geht die Zuständigkeit der CGZP über die Zuständigkeit ihrer Mitglieder hinaus, da diese nach ihren Satzungen nicht das gesamte Spektrum der Arbeitnehmerüberlassung umfasst. Die Mitgliedsgewerkschaften waren zum damaligen Zeitpunkt nur für bestimmte, einzelne Branchen zuständig, die CGZP wollte aber laut eigener Satzung  Tarifverträge für alle Branchen der Leiharbeit abschließen.

Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg hat mit dem Urteil vom 20. September 2011, Az. 7 Sa 1318/11, entschieden, dass auch die streitgegenständlichen Tarifverträge der CGZP für den Zeitraum vor dem Beschluss des Bundesarbeitsgerichts unwirksam waren und daher der Grundsatz des Equal-Pay für Leiharbeitnehmer nicht wirksam abbedungen wurde. Deshalb hat das Landesarbeitsgericht das verklagte Zeitarbeitsunternehmen verurteilt, an eine Leiharbeitnehmerin das im Entleiherbetrieb übliche Entgelt für die Vergangenheit nachzuzahlen. Bezüglich der Einzelheiten bleibt die Veröffentlichung des Urteils abzuwarten. Eine Überprüfung eines Arbeitsvertrages, der auf einen entsprechenden Tarifvertrag der CGZP verweist, kann also durchaus lohnend sein.

Fundstellen:  Arbeitsgericht Berlin, Beschluss am 01.04.2009, Az. 35 BV 17008/08, Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 20. September 2011, Az. 7 Sa 1318/11, Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 7. Dezember 2009, Az. 23 TaBV 1016/09, Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 14.12.2010, Az. 1 ABR 19/10

In Folge des Urteils des Bundesarbeitsgerichts zum Fall „Emely“ (vgl. Artikel vom 10.09.2011) hat das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg mit Urteil vom 16.09.2010 (Az. 2 Sa 509/10) entschieden, dass die gegenüber einer Zugansagerin ausgesprochene Kündigung eines Unternehmens des deutschen Bahnverkehrs rechtsunwirksam ist. Die Arbeitnehmerin hatte bei einer Veranstaltung rund 166 € zu viel an Bewirtungskosten unter Vorlage falscher Quittungen abgerechnet. Bei der Arbeitgeberin bestand eine Konzernrichtlinie, der zufolge u.a. die Bewirtung von Mitarbeitern im Rahmen einer Feier aus Anlass eines 40-jährigen Dienstjubiläums zulässig ist und die Beklagte Aufwendungen hierzu bis zu einer Höhe von 250,00 € übernimmt. Die Bahnansagerin soll nur 83,90 € für ihre Jubiläumsfeier ausgegeben haben, aber einen Betrag in Höhe von 250,00 € gegenüber ihrer Arbeitgeberin angerechnet haben. Ihre Betriebszugehörigkeit währte allerdings über 40 Jahre, ohne dass es zu Beanstandungen seitens des Arbeitgebers gekommen war.  Bei dem Verhalten der Arbeitnehmerin handelte es sich nach Auffassung des Gerichts auch um eine grobe Pflichtverletzung von strafrechtlicher Relevanz. Vom Arbeitnehmer gegenüber dem Arbeitgeber begangene Vermögensstraftaten stellen zudem an sich einen wichtigen Grund im Sinne von § 626 Abs. 1 BGB dar, der zum Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung geeignet ist.

Im konkreten Fall reiche die begangene Pflichtverletzung im Rahmen der Interessenabwägung jedoch nicht für die Rechtfertigung der ausgesprochenen Kündigung aus. Das Vertrauensverhältnis sei nach Auffassung des Gerichts nicht durch die einmalige Verfehlung so zerstört, dass es die fristlose Kündigung rechtfertigen würde. Denn die Pflichtverletzung erfolgte nicht bei der Kerntätigkeit der Arbeitnehmerin. Zudem kommt einer langjährigen beanstandungsfreien Betriebszugehörigkeit und dem damit angesammelten Vertrauenskapital ein sehr hoher Wert im Rahmen der Interessenabwägung zu, so dass auch eine erhebliche Pflichtverletzung nicht ohne weiteres zu einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses führen muss. Außerdem wurde durch das Landesarbeitsgericht Berlin im Rahmen der Interessenabwägung positiv für die Arbeitnehmerin gewertet, dass sie den Vorfall bei ihrer Befragung durch die Arbeitgeberin unumwunden eingeräumt und somit die Ermittlungsarbeit und Aufklärungsarbeit der Arbeitgeberin nicht behindert habe. Negativ wurde gewertet, dass der Schaden deutlich oberhalb der Bagatellgrenze lag. Trotz des relativ hohen Schadensbetrages hat das Gericht geurteilt, dass die Kündigung unwirksam war, es führt aus: „Insofern zeigt der vorliegende Fall auch, dass der „Schadensbetrag“ keine notwendige Signifikanz für den Unwertcharakter mit sich bringt, welcher einer pflichtwidrigen Handlung anhaftet.“ Dass die außerordentliche Kündigung unwirksam war, war für die Arbeitnehmerin von entscheidender Bedeutung, denn auf das Arbeitsverhältnis fand der Manteltarifvertrag Schiene Anwendung; nach dessen Regelungen das Arbeitsverhältnis der Klägerin ordentlich nicht mehr kündbar war. Die Revision wurde nicht zugelassen.

Quelle: Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 16.09.2010, Az. 2 Sa 509/10

Bereits am 10.06.2010 entschied das Bundesarbeitsgericht die Kündigungsschutzklage einer Kassiererin (Az. 2 AZR 541/09), die zwei Pfandbons im Wert von 0,48 € und 0,82 € an sich genommen und für sich eingelöst haben soll. Der Fall wurde in der Boulevardpresse als Fall Emmely bekannt. Das Bundesarbeitsgericht überprüfte den Fall im Rahmen der Revision lediglich auf Rechtsfehler. Hinsichtlich der Frage, ob die Klägerin die Bons tatsächlich unterschlagen hat –was diese bestritt- war es an die Feststellungen des Landesarbeitsgerichts gebunden. Das Landesarbeitsgericht hatte die Kündigung für wirksam erachtet. Dem widersprach das Bundesarbeitsgericht, die rechtliche Würdigung des Landesarbeitsgerichts sei rechtsfehlerhaft. Es betont in seiner Entscheidung, dass das deutsche Arbeitsrecht keine absoluten Kündigungsgründe kenne. Laut Bundesarbeitsgericht bedarf es stets einer umfassenden, auf den Einzelfall bezogenen Prüfung und Interessenabwägung dahingehend, ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses trotz der eingetretenen Vertrauensstörung – zumindest bis zum Ablauf der Kündigungsfrist – zumutbar ist oder nicht. Zu berücksichtigen seien dabei regelmäßig das Gewicht und die Auswirkungen einer Vertragspflichtverletzung – etwa im Hinblick auf das Maß eines durch sie bewirkten Vertrauensverlusts und ihre wirtschaftlichen Folgen -, der Grad des Verschuldens des Arbeitnehmers, eine mögliche Wiederholungsgefahr sowie die Dauer des Arbeitsverhältnisses und dessen störungsfreier Verlauf. Die Kündigung ist nur dann wirksam, wenn sie das letzte Mittel darstellt (ultima ratio), das ist dann nicht der Fall, wenn eine Abmahnung ausgereicht hätte, um das Verhalten des Arbeitnehmers so zu beeinflussen, dass er in Zukunft keine weiteren Pflichtverletzungen begehen wird. Es ist insoweit laut Bundesarbeitsgericht nicht stets und von vorneherein ausgeschlossen, verlorenes Vertrauen durch künftige Vertragstreue zurückzugewinnen. Bei der Interessenabwägung ist weiterhin das Verhältnismäßigkeitsgebot zu beachten. Bei einem langjährig bestehenden Arbeitsverhältnis dürfte daher auch aus diesem Grund eine fristlose Kündigung im Regelfall nur nach einer einschlägigen Abmahnung wirksam sein.  Entscheidend ist der Grad der Störung des Vertrauensverhältnisses nach objektiver Betrachtung. Das Bundesarbeitsgericht führt insoweit aus: „Dabei kommt es nicht auf die subjektive Befindlichkeit und Einschätzung des Arbeitgebers oder bestimmter für ihn handelnder Personen an. Entscheidend ist ein objektiver Maßstab. Maßgeblich ist nicht, ob der Arbeitgeber hinreichendes Vertrauen in den Arbeitnehmer tatsächlich noch hat. Maßgeblich ist, ob er es aus der Sicht eines objektiven Betrachters haben müsste. Im Arbeitsverhältnis geht es nicht um ein umfassendes wechselseitiges Vertrauen in die moralischen Qualitäten der je anderen Vertragspartei. Es geht allein um die von einem objektiven Standpunkt aus zu beantwortende Frage, ob mit einer korrekten Erfüllung der Vertragspflichten zu rechnen ist.“ Zwar betont das Bundesarbeitsgericht, dass  rechtswidrige und vorsätzliche Handlungen des Arbeitnehmers, die sich unmittelbar gegen das Vermögen des Arbeitgebers richten, auch dann ein wichtiger Grund zur außerordentlichen Kündigung darstellen können, wenn die Pflichtverletzung Sachen von nur geringem Wert betrifft oder nur zu einem geringfügigen, möglicherweise gar keinem Schaden geführt hat. Eine Kündigung wegen des Verdachts einer Straftat unterliegt dennoch den allgemeinen Regeln des Kündigungsschutzrechts und kann sich im Einzelfall durchaus als unwirksam erweisen. Die weiteren Ausführungen in dem Urteil beziehen sich auf das Prozessverhalten der Klägerin. Das Bundesarbeitsgericht macht insoweit deutlich, dass das Prozessverhalten regelmäßig keine Rückschlüsse auf die Kündigung zulässt. Denn die Wirksamkeit einer Kündigung ist grundsätzlich nach den objektiven Verhältnissen im Zeitpunkt ihres Zugangs zu beurteilen. Nachträglich eingetretene Umstände können für die gerichtliche Beurteilung nur insoweit von Bedeutung sein, wie sie die Vorgänge, die zur Kündigung geführt haben, in einem neuen Licht erscheinen lassen.

Quelle: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 10.6.2010, 2 AZR 541/09



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