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Der Gesetzgeber hat im November 2019 die Beweislastverteilung in Bezug auf Einweisungen in Spezialkinderheime und Jugendwerkhöfe geändert und eine gesetzliche Regelvermutung der Rechtsstaatswidrigkeit für diese Heimformen eingeführt. Anträge auf Rehabilitierung, die zuvor beispielsweise wegen fehlender Nachweise abgewiesen wurden, können nun öfter Erfolg haben. Allerdings stellt sich daran anschließend in vielen Fällen die Frage, wie die entsprechenden Folgeansprüche zu behandeln sind. Der Bundesgerichtshof hatte bereits mit Beschluss vom 10. August 2010, Az. 4 StR 646/09) klargestellt, dass es auf den Zeitpunkt der Antragstellung der strafrechtliche Rehabilitierung als solchen für den Zahlungsbeginn für die besondere Zuwendung für Haftopfer im Sinne des § 17 a StrRehaG (sogenannte Opferrente) nicht ankommt. Die Opferrente kann also parallel zum strafrechtlichen Rehabilitierungsverfahren beantragt werden und muss dann -nach einer erfolgten Rehabilitierung- rückwirkend gewährt werden.

Das Landgericht Potsdam hat mit Beschluss vom 27.12.2023 für den von mir vertretenen Betroffenen festgestellt, dass die Opferrente rückwirkend zum 01.12.2019 zu bewilligen war, da der Antrag als Zweitantrag ab Einführung der gesetzlichen Regelvermutung ab diesem Zeitpunkt Erfolg gehabt hätte.

Der Betroffene war auf seinen Zweit- und Wiederaufnahmeantrag mit Beschluss vom 19.05.2022 durch das Landgericht Potsdam strafrechtlich rehabilitiert worden. Das Landgericht Potsdam hob die Einweisung in das Spezialkinderheim „Fritz-Pawlowski“ in Mittweida durch die Jugendhilfe Potsdam aus dem Jahr 1986 auf und stellte eine zu Unrecht erlittene Freiheitsentziehung vom 17.04.1986 bis zum 30.04.1988 fest. Ein vorheriger Antrag war im Jahr 2014 vom Landgericht Potsdam noch abgewiesen worden. Die sogenannte Opferrente war in der Folge in Höhe von 330,00 € monatlich ab dem August 2022 bewilligt worden.

Der hiergegen erhobene Antrag auf gerichtliche Entscheidung war erfolgreich, das Landgericht Potsdam hat ausgeführt, dass die Opferrente rückwirkend zum 01.12.2019 zu bewilligen war. Denn der Betroffene hatte bereits 2014 einen Antrag auf Opferrente gestellt. Da dieser Antrag bereits ab der Gesetzesänderung im Jahr 2019 Erfolg gehabt hätte, war auf diesen Erstantrag mit der Wirkung vom 01.12.2019 abzustellen. Das ergibt sich durch die Verweisung des strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetz in § 17a Abs. 4 StrRehaG auf die Regelungen des Sozialgesetzbuches I (SGB I). In § 16 Abs. 2 S. 2 SGB I ist geregelt, dass auf den Zeitpunkt der ursprünglichen Antragstellung abzustellen ist, auch wenn ein Antrag bei einer unzuständigen Stelle gestellt wird. Nach dem Beschluss das Landgerichts Potsdam vom 27.12.2023 war dem Betroffenen demnach, die Opferrente in Höhe von monatlich 330,00 € ab dem 01.12.2019 (und nicht erst ab August 2022) zu gewähren.

Fundstelle: Landgericht Potsdam, Beschluss vom 27.12.2023, Az. BRH (OP) 1/23

Das Landgericht Berlin hat in dem Beschluss vom 06.04.2023, Az. 551 Rh 233, einen von mir anwaltlich vertretenen Antragsteller auch wegen seiner Unterbringungen in dem Heim für straffällige Jugendliche „Fritz Plön“ in Berlin und im Hilfsschulsonderheim „Werner Illmer“ in Berlin rehabilitiert und festgestellt, dass er in den genannten Heimen zu Unrecht Freiheitsentzug erlitten hat.

Der entsprechende Wiederaufnahmeantrag war erfolgreich. Die Einweisungsbeschlüsse der Jugendhilfe des Rates des Kreises Bad Freienwalde, die auch die Rechtsgrundlage für die Unterbringung in den Berliner Heimen darstellten, waren bereits vom Landgericht Frankfurt (Oder) in einem vorangegangenen Rehabilitierungsverfahren für rechtsstaatswidrig erklärt und aufgehoben worden. Nach der Entscheidung des Landgerichts Berlin litt die weitere Unterbringung daher unter einem derart schweren Verfahrensfehler, dass der Betroffene bereits deswegen zu rehabilitieren war. Es kam daher auf die Frage nicht mehr an, ob es sich bei den Heimen „Fritz Plön“ und „Werner Illmer“ in Berlin um Spezialheime oder vergleichbare Heime im Sinne der Regelvermutung aus § 10 Abs. 3 StrRehaG gehandelt hat.

Das Landgericht weist aber darauf hin, dass es sich bei den Heimen nicht um normale Wohnheime für Jugendliche gehandelt hat. Der vom Landgericht dazu gezogene Wissenschaftler Dr. Christian Sachse kam zu dem Schluss, dass das Heim „Werner Ilmer“ in Berlin Anfang des Jahres 1989 zum Pädagogisch-Medizinischen Zentrum (PMZ) zugeordnet wurde und es zumindest ab diesem Zeitpunkt nach Art und Erziehungskonzept als Spezialheim neuer Prägung zu klassifizieren sei. Eine analoge Vermutung lasse sich für das Heim „Fritz Plön“ ableiten. Der Antragsteller war wegen eines gegen ihn geführten Strafverfahrens mit den Strafvorwürfen der staatsfeindlichen Hetze und Staatsverleumdung in das Heim „Werner Illmer“ verlegt worden.

Für die Unterbringung über die Volljährigkeit hinaus, fehle es ohnehin an einer rechtlichen Grundlage. Das Landgericht hat darüber festgestellt, dass die Jugendhilfeakte Hinweise  auf Manipulationen aufwies, es war ein Vermerk in der Akte überklebt und festgetackert worden, wonach eine Mitarbeiterin der Jugendhilfe Berlin-Köpenick die sofortige Verlegung des Betroffenen in den geschlossenen Jugendwerkhof Torgau beantragt hatte. Dies lasse klar auf das Unrechtsbewusstsein des verantwortlichen Mitarbeiters schließen. Der Antragsteller wurde daher auch für die Unterbringung in den Berliner Heimen „Fritz Plön“ und „Werner Illmer“ rehabilitiert.

Das Kammergericht hat zudem mit Beschluss vom 22.06.2023 bezüglich der Rechtsanwaltskosten entschieden, dass von der Kostenentscheidung des Wiederaufnahmeverfahrens auch das Ursprungsverfahren aus dem Jahr 2014 miterfasst wird, da nur eine einheitliche Kostenentscheidung (die beide Verfahrensstadien umfasst) getroffen wird.

Fundstellen: Landgericht Berlin, Beschluss vom 06.04.2023, Az. (551 Rh) 152 Js 215/21 (233/21); Kammergericht, Beschluss vom 22.06.2023, Az. 1 Ws 51/23 REHA

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