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Es gibt Straftaten wie z. B. Beleidigung, Hausfriedensbruch, unbefugter Gebrauch eines Fahrzeugs, Haus- und Familiendiebstahl usw., die nur auf Antrag des (mutmaßlich) Verletzten verfolgt werden. Man nennt diese Delikte absolute Antragsdelikte. Der Strafanatrag alleine reicht aber nicht zur Verfolgung der vermeintlichen Straftat. Der Antrag muss auch von der hierfür berechtigten Person fristgerecht gestellt werden. Beim Hausfriedensbruch ist grundsätzlich nur der Mieter antragsberechtigt, nicht dagegen der Eigentümer bzw. der Vermieter der Mietsache. Das hat das Kammergericht in dem von mir verteidigten Verfahren mit Beschluss vom 03.08.2015, Az. (2) 161 Ss 160/15 (44/15), abschließend klargestellt.

In dem Verfahren war der Beschuldigte wegen Hausfriedensbruchs angeklagt und zunächst in den ersten beiden Instanzen auch verurteilt worden. Er soll sich im S-Bahnhof Ostkreuz mit dem Oberkörper in ein Aufsichtshäuschen hineingebeugt und einen Fuß hineingestellt haben. Auch nach Aufforderung soll er mit dem Oberkörper und dem Fuß nicht wieder aus dem Häuschen herausgegangen sein. Er soll sich zudem gegen die Tür gestemmt haben, als das Aufsichtspersonal ihn durch Schließen der Tür nach draußen schieben wollte. Erst der dazugekommene Sicherheitsdienst soll ihn dann vollständig aus dem Häuschen gezogen haben. Im Anschluss hat der Leiter der A-AG, die der S-GmbH das Aufsichtshäuschen vermietet hatte, Strafantrag gestellt.

Hier hätte aber die S-GmbH als Inhaberin des Hausrechtes den Strafantrag stellen müssen. Das Kammergericht hat das Strafverfahren daher richtiger Weise wegen Vorliegens eines Verfahrenshindernisses durch Beschluss eingestellt. Zuvor war der Beschuldigte vom Amtsgericht Tiergarten und vom Landgericht Berlin jeweils zu einer Geldstrafe von 50 Tagessätzen wegen Hausfriedensbruchs verurteilt worden. Beide Gerichte hatten verkannt, dass hier gar kein gültiger Strafantrag vorgelegen hat und das Verfahren einzustellen gewesen wäre, das hat das Kammergericht mit dem Beschluss vom 03.08.2015 nachgeholt.

Für mitlesende Anwaltskollegen sei der kostenrechtliche Hinweis erlaubt, dass die Einstellung in der Revisionsinstanz wegen eines Prozesshindernisses auch die Befriedungsgebühr gem. Nr. 4141 RVG VV auslöst, die Kosten insgesamt muss natürlich die Staatskasse tragen (vgl. Beschluss des Landgerichts Berlin, 27.11.2015, Az. 510 Qs 155/15).

Fundstellen: Kammergericht, Beschluss vom 03.08.2015, Az. (2) 161 Ss 160/15 (44/15); Landgericht Berlin, Beschluss vom 27.11.2015, Az. 510 Qs 155/15

Das Landgericht Berlin (LG) gab laut Pressemitteilung (PM 21/2012) am 29.03.2012 bekannt, dass im Verfahren wegen einer tödlichen Verfolgungsjagd am U-Bahnhof Kaiserdamm ein Angeklagter wegen Körperverletzung mit Todesfolge zu 2 Jahren Freiheitsstrafe auf Bewährung und ein weiterer Täter wegen gefährlicher Körperverletzung zu 4 Monaten Freiheitsstrafe ebenfalls auf Bewährung verurteilt worden sind. Sie sollen zwei Passanten in der U-Bahnstation ohne Anlass mit den Fäusten geschlagen haben, einen der Passanten soll einer der Angeklagten nach draußen verfolgt haben, wo der Passant auf der Flucht von einem Auto erfasst worden sein soll und schließlich an den Verletzungen des Autounfalls verstorben sein soll.

Einen Berliner Autobrandstifter hat das Landgericht Berlin hingegen laut Pressemitteilung vom 03.04.2012 (PM 23/2012) u. a. wegen schwerer Brandstiftung zu einer Freiheitsstrafe von 7 Jahren (ohne Bewährung) verurteilt, er soll u. a. mindestens 80 Fahrzeuge in Brand gesteckt haben, wobei ein hoher Sachschaden entstanden sein soll. Menschen wurden durch die Brände offensichtlich nicht in ihrer Gesundheit beeinträchtigt. Laut Presseerklärung des Landgerichts vom 03.04.2012 wäre ein Tatnachweis ohne das Geständnis des Angeklagten in keinem Fall möglich gewesen. Der Angeklagte hat das harte Urteil offenbar akzeptiert und auf Rechtsmittel verzichtet.

Die Strafhöhe beider Urteile unterschiedlicher Kammern des Landgerichts Berlin dürfte in Berlin für Diskussionen sorgen, insbesondere erscheint es doch einiger Maßen erstaunlich, dass trotz Geständnisses des verurteilten Autobrandstifters eine deutlich höhere Strafe als bei Körperverletzung mit Todesfolge verhängt wurde. Die Verhängung der hohen Freiheitsstrafe für den verurteilten Autobrandstifter begründete die vorsitzende Richterin der großen Strafkammer laut Medienberichten (u. a.  Artikel der Berliner Morgenpost vom 04.04.2012: „Gezündelt, um den Frust abzubauen“) auch damit, dass durch die hohe Strafhöhe eine abschreckende Wirkung auf potentielle andere Täter erzielt werden soll. In diesem Zusammenhang erlaube ich mir den Hinweis, dass die Höhe einer Haftstrafe keinerlei statistisch signifikante abschreckende Wirkung entfaltet. Eine abschreckende Wirkung einer besonders hohen Haftstrafe ist wissenschaftlich nicht feststellbar. Auch in der Untersuchung des australischen NSW Bureau of Crime Statistics and Research mit dem Titel „The effect of arrest and imprisonment on crime“ von Wai-Yin Wan, Steve Mofatt, Craig Jones und Don Weatherburn wurde diese Erkenntnis erst kürzlich erneut untermauert. Sie haben u. a. den Effekt der Haftdauer auf die Kriminalitätsraten in New South Wales in Australien quantitativ analysiert.

Fundstellen: Landgericht Berlin, Urteil vom 29. 03.2012, Az. (535) 234 Js 4622/11 (13/11), Pressemitteilung 21/2012 und Urteil vom 03.04.2012, Az. (517) 222 Js 3531/11 (4/12), Pressemitteilung 23/2012; „The effect of arrest and imprisonment on crime“ von Wai-Yin Wan, Steve Mofatt, Craig Jones und Don Weatherburn in der Zeitschrift Contemporary Issues in Crime and Justice, Nr. 158, Februar 2012

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