Um diese Webseite optimal gestalten und fortlaufend verbessern zu können, verwenden wir sogenannte Cookies. Durch die weitere Nutzung der Webseite stimmen Sie der Verwendung von Cookies zu

Das Landgericht Berlin hat in dem Beschluss vom 06.04.2023, Az. 551 Rh 233, einen von mir anwaltlich vertretenen Antragsteller auch wegen seiner Unterbringungen in dem Heim für straffällige Jugendliche „Fritz Plön“ in Berlin und im Hilfsschulsonderheim „Werner Illmer“ in Berlin rehabilitiert und festgestellt, dass er in den genannten Heimen zu Unrecht Freiheitsentzug erlitten hat.

Der entsprechende Wiederaufnahmeantrag war erfolgreich. Die Einweisungsbeschlüsse der Jugendhilfe des Rates des Kreises Bad Freienwalde, die auch die Rechtsgrundlage für die Unterbringung in den Berliner Heimen darstellten, waren bereits vom Landgericht Frankfurt (Oder) in einem vorangegangenen Rehabilitierungsverfahren für rechtsstaatswidrig erklärt und aufgehoben worden. Nach der Entscheidung des Landgerichts Berlin litt die weitere Unterbringung daher unter einem derart schweren Verfahrensfehler, dass der Betroffene bereits deswegen zu rehabilitieren war. Es kam daher auf die Frage nicht mehr an, ob es sich bei den Heimen „Fritz Plön“ und „Werner Illmer“ in Berlin um Spezialheime oder vergleichbare Heime im Sinne der Regelvermutung aus § 10 Abs. 3 StrRehaG gehandelt hat.

Das Landgericht weist aber darauf hin, dass es sich bei den Heimen nicht um normale Wohnheime für Jugendliche gehandelt hat. Der vom Landgericht dazu gezogene Wissenschaftler Dr. Christian Sachse kam zu dem Schluss, dass das Heim „Werner Ilmer“ in Berlin Anfang des Jahres 1989 zum Pädagogisch-Medizinischen Zentrum (PMZ) zugeordnet wurde und es zumindest ab diesem Zeitpunkt nach Art und Erziehungskonzept als Spezialheim neuer Prägung zu klassifizieren sei. Eine analoge Vermutung lasse sich für das Heim „Fritz Plön“ ableiten. Der Antragsteller war wegen eines gegen ihn geführten Strafverfahrens mit den Strafvorwürfen der staatsfeindlichen Hetze und Staatsverleumdung in das Heim „Werner Illmer“ verlegt worden.

Für die Unterbringung über die Volljährigkeit hinaus, fehle es ohnehin an einer rechtlichen Grundlage. Das Landgericht hat darüber festgestellt, dass die Jugendhilfeakte Hinweise  auf Manipulationen aufwies, es war ein Vermerk in der Akte überklebt und festgetackert worden, wonach eine Mitarbeiterin der Jugendhilfe Berlin-Köpenick die sofortige Verlegung des Betroffenen in den geschlossenen Jugendwerkhof Torgau beantragt hatte. Dies lasse klar auf das Unrechtsbewusstsein des verantwortlichen Mitarbeiters schließen. Der Antragsteller wurde daher auch für die Unterbringung in den Berliner Heimen „Fritz Plön“ und „Werner Illmer“ rehabilitiert.

Das Kammergericht hat zudem mit Beschluss vom 22.06.2023 bezüglich der Rechtsanwaltskosten entschieden, dass von der Kostenentscheidung des Wiederaufnahmeverfahrens auch das Ursprungsverfahren aus dem Jahr 2014 miterfasst wird, da nur eine einheitliche Kostenentscheidung (die beide Verfahrensstadien umfasst) getroffen wird.

Fundstellen: Landgericht Berlin, Beschluss vom 06.04.2023, Az. (551 Rh) 152 Js 215/21 (233/21); Kammergericht, Beschluss vom 22.06.2023, Az. 1 Ws 51/23 REHA

Das strafrechtliche Rehabilitierungsgesetz vermutet (widerleglich), dass die Anordnung der Unterbringung in ein Spezialheim der DDR – also beispielsweise in ein Spezialkinderheim oder einem Jugendwerkhof – der politischen Verfolgung oder sonst sachfremden Zwecken gedient hat. Das Bundesverfassungsgericht hatte sich jetzt mit der Frage zu beschäfitgen, wann diese Vermutung als widerlegt anzusehen ist und ob hierfür pauschale Erziehungsschwierigkeiten ausreichen können.

Den ursprünglichen Rehabilitierungsantrag hatte das Oberlandesgericht Dresden abgelehnt, weil in den vorliegenden Unterlagen eine Arbeitsbummelei sowie das Fernbleiben des Betroffenen vom Jugendwohnheim vermerkt worden seien. In einem späteren Strafurteil wurde von Schulbummelei und Straftaten gesprochen. Das Oberlandesgericht meinte aus dem Umtstand, dass der Betroffene zwischen der Unterbringung im Spezialkinderheim und im Jugendwerkhof zeitweise in einem Normalkinderheim beziehungsweise in einem Jugendwohnheim untergebracht worden war, den Schluss ziehen zu können, dass die damalige Jugendhilfe bestrebt war, erkennbaren Verbesserungen der Erziehungssituation Rechnung zu tragen. Die Rehabilitierung war demnach abgelehnt worden, weil die gesetzliche Vermutung der Rechtsstaatswidrigkeit als widerlegt angesehen wurde. Die Einweisungsentscheidungen seien angesichts der Hinweise auf Erziehungsschwierigkeiten und eine ungenügende Lernbereitschaft als aus rein fürsorgerischen Gründen erfolgt anzusehen gewesen.

Das Bundesverfassungsgericht hat mit Beschluss vom 31.07.2023 diese Argumentation als willkürlich abgelehnt. Eine Rehabilitierung scheide nicht bereits dann aus, wenn  Anhaltspunkte auf die typischen Regeleinweisungsgründe vorliegen. Das Bundesverfassungsgericht führt in dem Beschluss aus, dass es mittlerweile anerkannt ist, dass in den Spezailheimen ein System herrschte, das sich aus strengster Disziplinierung, entwürdigenden Strafen, genauester Kontrolle des Tagesablaufs, Abschottung von der Außenwelt und ideologischer Indoktrination zusammensetzte, und in dem das Kind oder der Jugendliche zur bedingungslosen Unterwerfung unter die staatliche Autorität gezwungen werden sollte.

Nach den Forschungsergebnissen zur Heimerziehung in der DDR stellten demnach pauschal umschriebene Erziehungsschwierigkeiten, ungenügende Lernbereitschaft, Schul- oder Arbeitsbummelei typische Begründungen für die Heimerziehung in einem Spezialkindereheim dar. Vor diesem Hintergrund können nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts sachfremde Zwecke der Unterbringung nicht bereits durch pauschale Verweise auf diese typischen Regeleinweisungsgründe ausgeschlossen werden.

Das Bundesverfassungsgericht hat daher die ablehnende Rehabilitierungsentscheidung wegen Verstoßes gegen das Willkürverbot (Art. 3 GG) aufgehoben, da die Ablehnung der gesetzllichen Regelvermutung im vorliegenden Fall in nicht mehr nachvollziehbarer und die Rehabilitierung damit in willkürlicher Weise abgelehnt worden sei.

Fundstelle: Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 31.07.2023, Az. 2 BvR 1014/21

Die gesetzliche Vermutung der politischen Verfolgung und des sachfremden Einweisungsgrundes für Spezialheime und Jugendwerkhöfe beschäftigt weiterhin die Gerichte. In einem vom Brandenburgischen Oberlandesgericht entschiedenen Fall ging es um die Rehabilitierung eines Heimkindes, welches in einem Spezialkinderheim untergebracht worden war.

Das Landgericht Potsdam konnte die Gründe der Einweisung nicht mehr vollständig aufzuklären, da die Unterlagen aus dem Anordnungsverfahren nicht mehr auffindbar waren. Aus zwei Schulzeugnissen aus der Zeit vor der Einweisung ging zwar hervor, dass die Betroffene Schwierigkeiten habe die schulischen und außerschulischen Aufgaben zu erfüllen und dass sie im Unterricht störe. Sie habe erhebliche Fehlzeiten in der Schule, sie habe im Schuljahr an 80 Tagen gefehlt, wovon 74 Tage unentschuldigt waren. Die schulischen Leistungen wurden dagegen mit Noten zwischen „genügend“ und „sehr gut“ bewertet.

Das Landgericht konnte keine spezifischen Umstände erkennen, die gerade die Unterbringung im Spezialheim gerechtfertigt hätte. Es kämen auch Gründe für die Heimeinweisung in Betracht, die nicht allein in der Person der betroffenen Antragstellerin gelegen haben. Das Landgericht rehabilitierte die Betroffene daher für die Zeit der Unterbringung im Spezialkinderheim.

Die Staatsanwaltschaft Potsdam hatte gegen diese Entscheidung Beschwerde eingelegt, um zu klären, ob eine massive Verletzung der Schulpflicht als Tatsache anzuerkennen ist, die die gesetzliche Vermutung der politischen Verfolgung oder die Vermutung eines sachfremden Einweisungsmotivs aus § 10 Abs. 3 StrRehaG widerlegt.

Das Brandenburgische Oberlandesgericht verneinte diese Frage in dem Beschluss vom 07.01.2021, da im vorliegenden Fall nicht positiv festgestellt werden konnte, dass die Heimeinweisung fürsorglich bedingt war. Hierfür hätte das Landgericht nämlich auch feststellen müssen, dass die Unterbringung im Normalkinderheim nicht ausreichend gewesen wäre.

Fundstellen: Landgericht Potsdam, Beschluss vom 22.06.2020, Az. 2 Reha 15/18; Brandenburgisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 07.01.2021, Az. 2 Reha 15/20

Nach dem strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetz wird vermutet, dass die Anordnung der Unterbringung in einem Heim für Kinder oder Jugendliche der politischen Verfolgung oder sonst sachfremden Zwecken diente, wenn eine Einweisung in ein Spezialheim oder in eine vergleichbare Einrichtung, in der eine zwangsweise Umerziehung erfolgte, stattfand. Diese Vermutung kann widerlegt werden. Allerdings divergiert die Rechtsprechung der Oberlandesgerichte zu den Anforderungen an die Widerlegung dieser gesetzlichen Regelvermutung ganz erheblich.

Das Thüringer Oberlandesgericht in Jena hat nun in dem Beschluss vom 16.11.2020, Az. 1 Ws-Reha 6/17, festgestellt, dass diese Vermutung nicht schon durch die Benennung gängiger, nach der Verordnungslage und der wissenschaftlich belegten Rechtspraxis erwartbarer Anordnungsgründe in der Einweisungsentscheidung widerlegt wird.

Die Widerlegung setzt vielmehr die Feststellung atypischer, über eine Schwererziehbarkeit im vorbeschriebenen Sinne hinausgehender Umstände voraus, die die Maßnahme im konkreten Einzelfall ausnahmsweise nicht als rehabilitierungswürdiges (System-)Unrecht erscheinen lassen.

Das Thüringische Oberlandesgericht begründet das in dem Beschluss unter Hinweis auf die Gesetzesbegründung wie folgt:

„Nur so lässt sich der mit der Gesetzesfassung begründeten Gefahr begegnen, dass Betroffene, deren Jugendhilfeakten noch vorhanden sind, auf Grundlage einer möglicherweise die tatsächlichen Anordnungsgründe verschleiernden Aktenlage schlechter gestellt werden als die, deren Akten nicht mehr aufgefunden werden können (ohne diese vom Gesetzgeber offenbar in Kauf genommene Konsequenz allerdings gänzlich ausschließen zu können).“

Das Thüringische Oberlandesgericht zieht den Schluss, dass die gesetzliche Vermutung nicht schon dann entkräftet ist, wenn sie durch den Beweis ihrer möglichen Unrichtigkeit nur erschüttert ist. Sie muss vielmehr durch den vollen Beweis ihres Gegenteils widerlegt sein, das Gericht muss also die Überzeugung vom Gegenteil der Vermutung gewinnen.

Fundstelle: Thüringer Oberlandesgericht, Beschluss vom 16.11.2020, Az. 1 Ws-Reha 6/17

Der Bundestag hat am 24.10.2019 in dritter Lesung umfangreiche Änderungen an den Rehabilitierungsgesetzen für DDR-Unrecht verabschiedet.

Danach wird eine Vermutung aufgestellt, dass die Unterbringungsanordnung in einem Kinderheim rechtsstaatswidrig war, wenn eine Einweisung in ein Spezialheim oder in eine vergleichbare der Zwangsumerziehung dienende Einrichtung stattfand. Dieselbe Vermutung gilt, wenn gleichzeitig mit der Unterbringung der Kinder rechtsstaatswidrige, freiheitsentziehende  Maßnahmen  gegen  die  Eltern oder Elternteile vollstreckt wurden. Es muss ein Sach- und Zeitzusammenhang bestehen.

Die Opferrente wird von 300,00 € monatlich auf 330,00 € erhöht. Die dafür notwendige Haftdauer wird von 180 Tagen auf 90 Tage halbiert! Verfolgte nach dem beruflichen Rehabilitierungsgesetz erhalten statt 214,00 € monatlich nunmehr 240,00 € (bzw. für Rentner 180,00 € statt wie bisher 153,00 €).

Heimkinder, die wegen der rechtsstaatswidrigen Haft der Eltern ins Heim gekommen sind und nicht rehabilitiert wurden, weil sie nicht selbst verfolgt wurden, bekommen trotz einer negativen Rehabilitierungsentscheidung einen eigenen Anspruch auf die Opferrente (wenn die weiteren Voraussetzungen vorliegen). Sie können nunmehr also direkt die Opferrente beantragen.

Die Antragsfristen werden gestrichen.

Für festgestellte Zersetzungsmaßnahmen, für die bisher keine Ausgleichsleistungen gezahlt wurden, wird eine einmalige Zahlung in Höhe von 1.500,00 € eingeführt.

Fundstelle: Deutscher Bundestag, Mitteilung vom 24.10.2019

Zum Seitenanfang