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Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main hat mit Beschluss vom 12.09.2012, Az. 16 W 36/12, entschieden, dass die Passage in einem Artikel der Zeitung „taz“ vom 18.6.2012 über Dr. Thilo Sarrazin, er „wird inzwischen von Journalisten benutzt wie eine alte Hure, die zwar billig ist, aber für ihre Zwecke immer noch ganz brauchbar, wenn man sie auch etwas aufhübschen muss … fragt sich nur, wer da Hure und wer Drübersteiger ist?“ von der Pressefreiheit gedeckt wird. Dr. Thilo Sarrazin sah darin eine unzulässige Schmähkritik und beantragte dagegen den Erlass einer einstweiligen Verfügung. Das wurde jedoch vom Landgericht Frankfurt am Main mit Beschluss vom 24.7.2012, Az. 2-3 O 276/12, abgelehnt. Diese Entscheidung bestätigte nun das Oberlandesgericht mit dem Beschluss vom 12.09.2012, denn auch polemische oder überspitzte Kritik wird von der Meinungs- und Pressefreiheit aus Artikel 5 des Grundgesetzes gedeckt.

Fundstellen: Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Beschluss vom 12.09.2012, Az. 16 W 36/12, Pressemitteilung vom 14.09.2012; Landgericht Frankfurt am Main, Beschluss vom 24.7.2012, Az. 2-3 O 276/12

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat mit Urteil vom 06.09.2012, Az. 2 AZR 372/11, entschieden, dass einem Angestellten im öffentlichen Dienst wegen des Weiterleitens eines verfassungsfeindlichen Newsletters wirksam gekündigt werden kann. Zwar stelle die bloße Mitgliedschaft in der NPD oder ihre Jugendorganisation (JN) allein noch keinen Kündigungsgrund dar, ein Mindestmaß an Verfassungstreue ist aber auch für einen angestellten Arbeitnehmer im öffentlichen Dienst unabdingbar. Arbeitnehmer dürfen beispielsweise keine Aktivitäten entfalten, um den Staat oder die Verfassung und deren Organe zu beseitigen, zu beschimpfen oder verächtlich zu machen. Im vom Bundesarbeitsgericht zu entscheidenden Fall, hat der gekündigte Arbeitnehmer einen Demonstrationsaufruf per Newsletter weitergeleitet. In dem Text des Aufrufs wurde u. a. zur Revolution aufgerufen, bei der es auch Tote geben könne. Die „BRD“ könne Angst vor dem zu wagenden Aufstand haben.

Das Bundesarbeitsgericht entschied mit dem Urteil vom 06.09.2012 nun, dass sich der Arbeitnehmer durch das Weiterleiten des Aufrufs dessen Inhalt zueigen gemacht und damit das Fehlen eines Mindestmaßes an Verfassungstreue dokumentiert habe. Das Eintreten für einen gewaltsamen Umsturz stelle insoweit zumindest einen personenbedingten Kündigungsgrund dar, selbst dann wenn das Verhalten noch nicht strafbar sei.

Fundstellen: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 06.09.2012, Az. 2 AZR 372/11, Pressemitteilung Nr. 64/12; Allgemeine Informationen zum Kündigungsrecht

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat erneut mit Beschluss vom 16. August 2012, Az. 5 StR 238/12 ein Urteil des Landgerichts Berlin in dem Verfahren gegen einen Berliner Schönheitschirurgen aufgehoben. Nach einer vom Angeklagten durchgeführten Operation im Jahr 2006 war die Patientin wegen einer Hirnschädigung verstorben. Der Schönheitschirurg hat es dabei u. a. unterlassen einen Anästhesisten beizuziehen und die Patientin nach Verschlechterung ihres Gesundheitszustandes rechtzeitig auf eine Intensivstation zu verlegen. Die Patientin verstarb in Folge der vom Angeklagten durchgeführten Operation zur Bauchdeckenstraffung, Fettabsaugung, der Entfernung einer Blinddarmoperationsnarbe und der Versetzung des Bauchnabels. Der Arzt hatte laut Urteil des Landgerichtes der Patientin wahrheitswidrig zugesichert, dass ein Anästhesist an der Operation teilnehmen würde. Während des ärztlichen Eingriffs traten dann Komplikationen in der Form eines Herz-Kreislauf-Stillstandes auf, weshalb der Chirurg mit Reanimierungsmaßnahmen begann. Anschließend stabilisierten sich die Vitalwerte der Patientin wieder. Trotz des kritischen Gesundheitszustandes der Patientin veranlasste der Angeklagte nicht unverzüglich, dass die Patientin auf die Intensivstation eine Krankenhauses eingeliefert wurde, sondern führte zunächst seine Sprechstunde nach der Operation normal weiter, erst nachdem einige Stunden vergangen waren und die Patientin immer noch nicht aus der Narkose aufgewacht war, veranlasste der Angeklagte die Einlieferung in ein Krankenhaus, allerdings ohne dem Krankenhauspersonal von dem eingetretenen Herzstillstand und den von ihm verabreichten Medikamenten zu berichten. Die Patientin erwachte nicht wieder aus der Narkose und verstarb noch im Krankenhaus an den Folgen einer globalen Hirnsubstanzerweichung, die durch eine Sauerstoffunterversorgung des Gehirns ausgelöst worden war.

Das Landgericht Berlin verurteilte den angeklagten Arzt mit Urteil vom 01.03.2010, Az. 1 Kap Js 721/06 Ks,  wegen Körperverletzung mit Todesfolge in Tateinheit mit versuchtem Totschlag zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten, zusätzlich verhängte es ein vierjähriges Berufsverbot und erklärte ein Jahr der verhängten Freiheitsstrafe wegen überlanger Verfahrensdauer für bereits vollstreckt. Das Landgericht Berlin stellte u. a. fest, dass die Patientin bei einer sofortigen Verlegung in ein Krankenhaus nach der Reanimation mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit überlebt, zumindest eine nicht unerhebliche Zeit länger gelebt hätte.

Dieses Urteil hob der BGH wegen der unzureichenden Prüfung des bedingten Tötungsvorsatzes einerseits  und des versuchten Mordes durch Unterlassen andererseits auf. Das Landgericht habe das Willenselement des bedingten Tötungsvorsatzes nur mit lückenhaften, die Feststellungen zum Handlungsablauf und zur Interessenlage nicht erschöpfenden Erwägungen belegt. Die Strafzumessung und den Strafnachlass im Urteil des Landgerichts Berlin waren darüber hinaus fehlerhaft. Deshalb verwies der BGH das Urteil an eine andere Schwurgerichtskammer des Landgerichts Berlin zurück.

Das Landgericht Berlin verurteilte den Arzt nun mit Urteil vom 16.12.2011, Az. (540) 1 Kap Js 721/06 Ks (12/11), wegen Körperverletzung mit Todesfolge in Tateinheit mit versuchtem Mord (durch Unterlassen) zu einer Freiheitsstrafe von sieben Jahren und sechs Monaten und einem Berufsverbot von 5 Jahren. Eine Kompensation wegen rechtsstaatswidriger Verfahrensverzögerung nach der Europäischen Menschenrechtskonvention versagte das Gericht im Gegensatz zum ersten Urteil dieses Mal.

Auch dieses Urteil des Landgerichts Berlin hob der BGH nun mit Beschluss vom 16.08.2012 wegen erneuter Mängel in der Beweiswürdigung auf, der Angeklagte sei laut dem Beschluss allein der Körperverletzung mit Todesfolge schuldig. Das Landgericht Berlin muss nun zum dritten Mal über die Strafhöhe und die Länge des Berufsverbots verhandeln. Das Berufsverbot darf dabei wegen des Verschlechterungsverbotes nicht über vier Jahren liegen. Eine Kompensation für die lange Verfahrensdauer wird es dieses Mal mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht geben. Nach den vom BGH im Beschluss vom 16.08.2012 gegebenen Hinweisen, dürfte eine Verurteilung wegen Körperverletzung mit Todesfolge zu erwarten sein, wobei die Annahme eines minderschweren Falles, wie sie das Landgerichts Berlin im ersten aufgehobenen Urteil noch angenommen hat, unwahrscheinlich sein dürfte.

Fundstellen: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 16.08.2012, Az. 5 StR 238/12, Pressemitteilung Nr. 140/12;  Urteil vom 07.07.2011, Az. 5 StR 561/10; Pressemitteilung Nr. 125/2011

Das Verwaltungsgericht Berlin hat mit Beschluss vom 04.09.2012, Az. VG 3 L 216.12, entschieden, dass das Internetportal Groupon keine Gutscheine für die Ehrendoktor- und Ehrenprofessorentitel in “Angel Therapy”, “Exorcism”, “Immortality” “Psychic Sciences” oder “Ufology” der Miami Life Development Church verkaufen darf. Das Verwaltungsgericht Berlin stellte fest, dass diese Titel den akademischen Hochschultiteln und Fachbereichsbezeichnungen Berlins zum Verwechseln ähnlich seien, weshalb deren Verkauf einen Verstoß gegen das Berliner Hochschulgesetz darstelle.

Fundstelle: Verwaltungsgericht Berlin, Beschluss vom 04.09.2012, Az. VG 3 L 216.12; Pressemitteilung Nr. 35/2012

Wie ich im Artikel „Hundeführerschein in Berlin: Entwurf des neuen Hundegesetzes“  vom 13.05.2012 berichtet habe, plant der Senat eine neues Hundegesetz für Berlin zu entwerfen. Diesbezüglich sollen die Bürger im Rahmen des sogenannten „Bello-Dialogs“ stärker als bislang üblich beteiligt werden. Auf der entsprechenden Internetseite kann jeder Bürger einen Kommentar zu dem Gesetzesvorhaben abgeben und die bereits abgegebenen Kommentare einsehen. Auf der Kommentarseite sind bereits jetzt einige Hundert Kommentare nachzulesen. Es bleibt insoweit spannend zu sehen, ob die relativ rege Bürgerbeteiligung letztendlich auch produktiv in das Gesetz einfließen und zu einem besseren Hundegesetz führen wird. Eine Abschaffung der umstrittenen Rasseliste für angeblich gefährliche Hunderassen wäre zweifellos zu begrüßen.

Fundstellen:  Senatsverwaltung für Justiz und VerbraucherschutzInternetseite Bello-Dialog zum neuen Hundegesetz, Bello-Dialog-Kommentarseite

Auch einer langjährig arbeitsunfähig erkrankten Arbeitnehmerin steht ein Anspruch auf Abgeltung des Urlaubsanspruches zu, allerdings verfällt der der Abgeltungsanspruch nach Ablauf von 15 Monaten. Das entschied das Bundesarbeitsgericht (BAG) mit Urteil vom 7. August 2012, Az. 9 AZR 353/10, danach ergebe die europarechtskonforme Auslegung des Bundesurlaubsgesetzes (BUrlG) und des Tarifvertrags des öffentlichen Dienstes  (TVöD), dass der auf das Arbeitsverhältnis der -bei einer Rehabilitationsklinik angestellten- Arbeitnehmerin Anwendung fand, eine Verfallsfrist von 15 Monaten. Die Arbeitnehmerin bezog vom 20.12.2004 an eine befristete Rente wegen Erwerbsminderung und konnte bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses im Jahr 2009 die Arbeit nicht wieder aufnehmen. Sie forderte vom Arbeitgeber die Zahlung wegen der Abgeltung ihres Urlaubsanspruches in Höhe 18.841,05 €, da sie während der Zeit der Krankheit und der Erwerbsminderung den Urlaub nicht nehmen konnte. Das Bundesarbeitsgericht stellte nun mit dem Urteil vom 07.08.2012 klar, dass jeder Arbeitnehmer grundsätzlich nach dem Bundesurlaubsgesetz auch dann Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub habe, wenn er im gesamten Urlaubsjahr arbeitsunfähig krank war. Dies gelte auch im Anwendungsbereich des TVöD, wenn die Arbeitnehmerin eine befristete Rente wegen Erwerbsminderung bezogen hat. Das betrifft aber zum einen nur den unabdingbaren Mindesturlaub sowie den Zusatzurlaub für schwerbehinderte Menschen, zum anderen verfällt der Anspruch nach unionsrechtkonformer Auslegung des Bundesurlaubsgesetzes allerdings nach Ablauf von 15 Monaten. Das BAG lehnte daher die geltend gemachte Forderung für die Jahre 2005 bis 2007 ab und entsprach der Klage der Arbeitnehmerin lediglich in Höhe von 3.919,95 €.

Fundstellen: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 07.08.2012, Az. 9 AZR 353/10, Pressemitteilung Nr. 56/12; Allgemeine Informationen zum Urlaubsrecht

Am 27.08.2012 wurde der Kriminalitätsatlas Berlin 2011 veröffentlicht, darin wird die Kriminalitätsbelastung in öffentlichen Räumen nach spezifischen Deliktgruppen in den 95 Berliner Ortsteilen aufgrund der in der Polizeilichen Kriminalstatistik erfassten Daten dargestellt. Die Ortsteile Tiergarten, Spandau und Mitte fallen dabei -über einen langen Zeitraum betrachtet- durch die hohen Häufigkeitszahlen bei den sieben Deliktgruppen Raub, Körperverletzung, Bedrohung, Nötigung, Diebstahl, Brandstiftung, Sachbeschädigung und Rauschgiftdelikte besonders negativ auf. Der Wedding und Neukölln weisen in einigen der genannten Deliktgruppen statistisch hohe Werte auf. Die genauen Daten, Graphiken und Erläuterungen aus dem Kriminalitätsatlas können hier eingesehen werden, der Kommentar findet sich hier auf den Internetseiten der Senatsverwaltung für Inneres. Bitte beachten Sie, dass die pdf-Dateien jeweils relativ groß sind (15 Megabyte und 22 Megabyte).

Fundstellen: Senatsverwaltung für Inneres und Sport, Kriminalitätsbelastung in öffentlichen Räumen (Kriminalitätsatlas Berlin 2011), Kriminalitätsatlas 2006 bis 2011 -ein deliktischer Kurzüberblick – (Kommentar zum Kriminalitätsatlas)

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat mit Urteil vom 21.08.2012, Az. X ZR 138/11, entschieden, dass Flugreisende regelmäßig keinen Anspruch nach der Fluggastrechteverordnung (EG Nr. 261/2004) auf pauschale Ausgleichsleistung gegen die Fluglinie besteht, wenn die vorgesehenen Flüge wegen eines Streikaufrufs einer Gewerkschaft annulliert werden. Im zu entscheidenden Fall wurde die Fluglinie, die Lufthansa AG, von zwei ihrer Kunden verklagt. Die Gewerkschaft Cockpit hatte für den Zeitpunkt der gebuchten Flugreisen der Kläger zum Streik aufgerufen, weshalb die vorgesehenen Flüge nicht durchgeführt werden konnten. Bei Gericht wurde nun darüber gestritten, ob die Fluglinie neben den geschuldeten Unterstützungsleistungen (Mahlzeiten, Hotelunterbringung) und der Bereitstellung eines alternativen Fluges auch noch die pauschale Ausgleichsleistung in Höhe von 600,00 € je Fluggast zahlen muss. Das verneinte der BGH in seinem Urteil vom 21.08.2012, denn in dem angekündigten Streikaufruf der Gewerkschaft kann ein außergewöhnlicher Umstand im Sinne der Fluggastrechteverordnung gesehen werden, der die Pflicht zur pauschalen Ausgleichleistung auszuschließen vermag. Maßgeblich sei, ob die Annullierung auf ungewöhnliche, außerhalb des Rahmens der normalen Betriebstätigkeit des Luftverkehrsunternehmens liegende und von ihm nicht zu beherrschende Gegebenheiten zurückgehe. Ein Streikaufruf einer Gewerkschaft soll den normalen Betriebsablauf durch den Streik als Arbeitskampfmittel gerade gezielt beeinträchtigen. Eine solche Situation ist nach Auffassung des Bundesgerichtshofs in aller Regel als von dem betroffenen Luftverkehrsunternehmen nicht beherrschbar anzusehen. Denn die Entscheidung zu streiken, wird von der Arbeitnehmerseite im Rahmen der ihr zukommenden Tarifautonomie und damit außerhalb des Betriebs der Fluglinie getroffen. Das Luftverkehrsunternehmen kann dementsprechend den Nachweis führen, dass es die ihm zur Verfügung stehenden Ressourcen in dem gebotenen Umfang ausgeschöpft hat, wegen der Nichtdurchführung eines einzelnen Flugs muss es dann keine pauschale Ausgleichsleistung zahlen. In diesem Zusammenhang sei darauf hingewiesen, dass auch die Fluglinien ihrerseits regelmäßig keinen Regress bei der streikenden Gewerkschaft nehmen können, selbst wenn die Gewerkschaft in rechtswidriger Weise zu einem Streik aufgerufen hat. Das hat das Arbeitsgericht Frankfurt am Main mit Urteil vom 16.08.2012 entschieden (vgl. Blogartikel vom 17.8.2012: Fluglinien verlieren Schadensersatzklagen gegen die Gewerkschaft der Flugsicherung).

Fundstellen: Bundesgerichtshof, Urteil vom 21.08.2012, Az. X ZR 138/11, Pressemitteilung Nr. 133/2012

Mit Urteil vom 13.08.2012, Az. 33 O 434/11, hat das Landgericht Berlin den Rapper mit dem Künstlernamen Bushido zur Zahlung von 8.000 € Schmerzensgeld an eine ehemalige Bewohnerin des Big-Brother-Containers verurteilt. Der beklagte Rapper soll die Klägerin u. a. auf seinen Internetseiten der sozialen Netzwerke Facebook, Twitter und MySpace, als „Nutte“ und „Kacke“ bezeichnet haben. Zudem äußerte er sich über das Aussehen der Klägerin u. a. hinsichtlich ihrer Haut negativ. Die Klägerin forderte wegen der Äußerungen ein Schmerzensgeld in Höhe von 100.000,00 € vom Beklagten. Zusätzlich forderte die Klägerin u. a. 20.000 € Vertragsstrafe, weil der Beklagte die Äußerungen auch nicht rechtzeitig entfernt habe, obwohl er zwischenzeitlich eine Unterlassungserklärung unterschrieben hatte. Das Landgericht lehnte die geltend gemachten Forderungen größtenteils ab, es sprach der Klägerin lediglich eine Summe von 8.000 € wegen schwerwiegender Verletzung des Persönlichkeitsrechts durch die Internetbeiträge zu. Die Äußerungen hätten zwar stark beleidigenden Charakter, andererseits würden Äußerungen eines Rappers laut dem Urteil des Landgerichts Berlin gemeinhin nicht „für bare Münze“ genommen, die Klägerin hat sich zudem durch die Teilnahme an der TV-Sendung Big Brother freiwilligder Öffentlichkeit ausgeliefert und damit ihre Privatsphäre teilweise preisgegeben. Die Klägerin habe die angegriffenen Äußerungen gegenüber der Presse (Berliner Kurier, RTL) selbst wiederholt und dadurch überhaupt zu einer größeren Verbreitung beigetragen. Wegen der laut dem Urteil völlig überzogenen Klageforderung muss die Klägerin nun den Großteil der Anwalts- und Gerichtskosten selbst tragen.

Fundstellen: Landgericht Berlin, Urteil vom 13.08.2012, Az. 33 O 434/11, Pressemitteilung 58/12

Das Arbeitsgericht Frankfurt am Main hat mit Urteil vom 16.08.2012, Az. 12 Ca 8341/11, die Schadensersatzklagen der Fluglinien, Lufthansa, Air Berlin und Ryanair gegen die Gewerkschaft der Flugsicherung e. V. (GdF) wegen rechtswidriger Streikaufrufe abgewiesen. Die GdF hatte im August letzten Jahres zweimal zum Streik gegen die Betriebe der Deutschen Flugsicherung GmbH (DFS) aufgerufen. Diese Streiks wurden jeweils nach der Anrufung der Arbeitsgerichtsbarkeit durch den Arbeitgeber und dem darauf folgenden Erlass entsprechender einstweiliger Verfügungen von der Gewerkschaft wieder abgesagt. Dennoch hatten die klagenden Fluglinien in dem betreffenden Zeitraum Buchungsstornierungen zu verzeichnen und mussten Flugverschiebungen veranlassen, den daraus entstandenen Schaden machten die drei klagenden Gesellschaften beim Arbeitsgericht Frankfurt am Main gegen die Gewerkschaft geltend und verloren nun den Rechtsstreit. Das Arbeitsgericht sah keinen Schadensersatzanspruch der Fluglinien als gegeben an, denn der Streik stellte keinen betriebsbezogene Verletzung des Rechts der Fluggesellschaften am eingerichteten und ausgeübten Gewerbetrieb dar, weil sich die angekündigten Streiks gegen die DFS als Arbeitgeber und nicht gegen die nur mittelbar geschädigten Fluglinien richtete. Auf eine etwaige Verletzung der Friedenspflicht durch die Gewerkschaft können sich die Fluglinien jedenfalls nicht berufen, weil der Tarifvertrag insoweit nur die Tarifvertragsparteien (GdF und DFS) nicht aber die betroffenen Fluglinien schützt.

Fundstellen: Arbeitsgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 16.08.2012, Az. 12 Ca 8341/11, Pressemitteilung Nr. 12/2012; Allgemeine Informationen zum Arbeitskampf

Die ostdeutschen Bundesländer und der Bund stellen einen Hilfe-Fond  für Heimkinder aus der ehemaligen DDR mit einem Umfang von 40 Millionen Euro zur Verfügung. Der Zweck des Fonds ist die Förderung der Hilfe für ehemalige Heimkinder in der DDR in den Jahren 1949 bis 1990. Anträge können seit dem 01.07.2012 gestellt werden. Es sollen vor allem verschiedene individuelle Reha-Maßnahmen und Unterstützungshilfen für ehemalige Heimkinder finanziert werden, die in der ehemaligen DDR unter Zwang, Gewalt und Missbrauch gelitten haben. Durch den Fond soll zudem einer Minderung von Rentenansprüchen der Opfer entgegengewirkt werden. Für die Antragstellung gilt eine Frist bis zum 30. Juni 2016. Dabei sollte allerdings beachtet werden, dass es sein könnte, dass die zur Verfügung gestellten Mittel bereits vorher aufgebraucht sind, dann endet der Fond laut Satzung automatisch. Die erlittenen Schädigungen durch Heimunterbringung müssen vom Antragsteller glaubhaft gemacht werden.

Fundstellen: Bundesregierung,  Nachricht vom 13.06.2012; Fond „Heimerziehung in der DDR in den Jahren 1949 bis 1990”, Satzung vom 24.04.2012

Ein Betreiber eines File-Hosting-Dienstes haftet ohne Kenntnis nicht für die Urheberrechtsverletzungen seiner Kunden, er ist insoweit weder als Täter noch als Gehilfe anzusehen. Er kann aber dann haften, wenn er seine Prüfungspflichten verletzt. Das entschied der Bundesgerichtshof (BGH) mit Urteil vom 12.07.2012, Az. I ZR 18/11, laut der Pressemitteilung vom 13.07.2012 (Nr. 114/12). Wenn der Filhoster vom Rechteinhaber konkret auf Rechtsverletzungen hingewiesen wird, kommt im Falle der Verletzung der Prüfpflichten eine Haftung als Störer auf Unterlassung in Frage. Weist der Rechteinhaber aber insoweit auf einen konkreten Verstoß hin, dann muss der Filehoster auch prüfen, ob andere, seiner Nutzer denselben Verstoß begehen. Der Filehoster muss dann mindestens das technisch und wirtschaftlich Zumutbare tun, um derartige Rechtsverletzungen zu verhindern. Im konkreten Fall klagte Atari gegen den Filehoster, mit der Forderung Hyperlinks auf bei ihr gespeicherte Dateien des Computerspiels „Alone in the Dark“ zu unterbinden. Der BGH führte insoweit aus, dass es dem Dienstanbieter grundsätzlich zuzumuten sei, eine überschaubare Anzahl einschlägiger Link-Sammlungen auf bestimmt bezeichnete Inhalte zu überprüfen, so dass er die Dateien auf seinen eigenen Servern löschen kann.

Fundstelle: Bundesgerichtshof, Urteil vom 12.07.2012, Az. I ZR 18/11, Pressemitteilung Nr. 114/12

Der Bundesrat hat am 06.07.2012 dem Gesetz zur Erweiterung der jugendgerichtlichen Handlungsmöglichkeiten (Drucksache: 350/12) zugestimmt. In Jugendstrafsachen wird damit in § 16a Jugendgerichtsgesetz (JGG) die Möglichkeit zur Verhängung eines Jugendarrests neben einer zur Bewährung ausgesetzten Jugendstrafe (Warnschussarrest) eingeführt. Gleichzeitig wird das Höchstmaß der Jugendstrafe für Heranwachsende von 10 Jahren auf 15 Jahre erhöht (§ 105 Abs. 3 S. 2 JGG) und das Institut der sogenannten Vorbewährung gesetzlich in §§ 61 bis 61b JGG niedergelegt. Der Bundestag hatte dem Gesetzesentwurf bereits am 14. Juni 2012 zugestimmt. Der Rechtsausschuss hatte nun dem Bundesrat empfohlen, den Vermittlungsausschuss einzuberufen, da die neue Regelung zum Warnschussarrest überflüssig und rechtssystematisch verfehlt sei. Positive, erzieherische Wirkungen des Warnschussarrestes seien zudem erfahrungswissenschaftlich nicht nachgewiesen. Die Erhöhung der Höchststrafe für Heranwachsende sei ebenfalls überflüssig, zumal die nun eingeführte Ungleichbehandlung von Jugendlichen (14 – 17 Jahre) und von Heranwachsenden (18 – 20 Jahre) nicht zu rechtfertigen sei (vgl. Drucksache 350/1/12). Den Empfehlungen der Ausschüsse folgte der Bundesrat jedoch nicht.

Fundstelle: Bundesrat, Pressemitteilung vom 06.07.2012, Drucksache 350/12; Empfehlungen des Rechtsausschusses, des Ausschusses für Frauen und Jugend und des Finanzausschusses vom 25.06.2012, Drucksache 350/1/12

Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg (OVG) hat durch Beschluss vom 30.04.2012, Az. OVG 1 S 67.12, entschieden, dass Spätverkaufsstellen (Spätis) an Sonn- und Feiertagen nicht öffnen dürfen. Das Berliner Ladenöffnungsgesetz (BerlLadÖffG) ordnet grundsätzlich für Verkaufsstellen die Schließung an diesen Tagen an. Das OVG stellte nun klar, dass trotz der dem Gesetz entgegenstehenden Lebenspraxis in Berlin die Ausnahmen des BerlLadÖffG für Spätis selbst dann nicht gelten, wenn die Läden -anders als an Wochentagen- nur Bedarf für Touristen (wie Andenken, Tabakwaren, Lebensmittel für den sofortigen Verzehr usw.) oder ausschließlich Blumen, Pflanzen, Zeitungen, Zeitschriften, Back- und Konditoreiwaren, Milch und Milcherzeugnisse anbieten. Denn laut Beschluss des OVGs stellt das Gesetz auf Typen von Verkaufsstellen ab, deren prägende Merkmale immer vorliegen müssen. Eine Beschränkung des Warenangebots des Spätis auf die erlaubten Ausnahmen, die das BerlLadÖffG (vgl. § 4 – 6) vorsieht, ändert demnach nichts an dem Verbot an Sonn- und Feiertagen zu öffnen, wenn ein entsprechend größeres Warenangebot an den Werktagen angeboten wird.

Fundstelle: Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 30.04.2012, Az. OVG 1 S 67.12

Das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen (LSG NRW) schafft endlich Rechtsklarheit, was die Ansprüche von Leiharbeitnehmern gegen ihre Arbeitgeber angeht. Wie berichtet hat die „Christlichen Gewerkschaft für Zeitarbeit und Personalservice-Agenturen“ (CGZP) Tarifverträge abgeschlossen, die vom Prinzip des gleichen Lohns für Stammarbeitnehmer und Leiharbeitnehmer („equal-pay“) zum Nachteil der Letztgenannten abwichen. Das Bundesarbeitsgericht hat mittlerweile festgestellt, dass die CGZP im entscheidungserheblichen Zeitpunkt als nicht tariffähig anzusehen war (vgl. Blogartikel vom 04.10.2011:„Leiharbeit – Equal Pay – Tariffähigkeit der CGZP“; Blogartikel vom 10.01.2012: „AMP und CGZP, neues Urteil zur Leiharbeit“; Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 14. Dezember 2010, Az. 1 ABR 19/10). Das LSG NRW hat nun laut Pressemitteilung des Gerichts vom 11.05.2012 mit Beschluss vom 10.05.2012, Az. L 8 R 164/12 B ER, entschieden, dass sich die Arbeitgeber auch keinen Vertrauensschutz in der Weise genießen, dass sie sich auf die Wirksamkeit der abgeschlossenen Tarifverträge  verlassen durften. Das gilt selbst dann, wenn die Rentenversicherungen zuvor Betriebsprüfungen durchgeführt und nichts zu beanstanden hatte. Die Arbeitgeber müssen nun grundsätzlich den zu wenig gezahlten Lohn sowie die entsprechenden Sozialabgaben nachbezahlen.

Fundstellen: Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 10.05.2012, Az. L 8 R 164/12 B ER, Pressemitteilung vom 11.05.2012; Allgemeine Informationen zur Leiharbeit

Der neu gebildete Berliner Senat hat in seinen Richtlinien zur beabsichtigten Regierungspolitik für die Legislaturperiode 2011 – 2016 eine Evaluierung und Weiterentwicklung des Berliner Hundegesetzes vorgesehen (unter XVIII. Gesundheit 7. Berlin, eine tierfreundliche Stadt). Wie u. a. der Pressemitteilung der Tierärztekammer Berlin zur Änderung des Berliner Hundegesetzes vom 10. April 2012 zu entnehmen war, werden derzeit vor allem folgende Änderungen diskutiert: Der Leinenzwang soll weiter ausgeweitet werden und für große Hunde wird der Erwerb eines Hundeführerscheins zum Führen eines nicht angeleinten Hundes vorgeschrieben. Der Führerschein soll ab einer Schulterhöhe des Hundes von 40 cm zur Pflicht für den Halter werden.

Dabei soll es einen theoretischen und ein praktischen Teil der Führerscheinprüfung geben. Zusätzlich soll nunmehr nach den Nutzungsrichtungen der Hunde und nicht mehr nach den umstrittenen Rasselisten differenziert werden. Halter von Hunden, deren Hunden danach ein erhöhtes Gefährdungspotenzial zugeordnet wird, sollen insofern eine weitere spezielle praktische Prüfung absolvieren müssen.

Eine Abkehr von den Rasselisten dürfte in der Tat dringend geboten sein, zumal nachweislich die meisten problematischen Vorfälle in Berlin von Hunden verursacht werden, die wie z. B. der Schäferhund gar nicht auf den Rasselisten auftauchen (vgl. Antwort des Senators für Justiz und Verbraucherschutz vom 18.04.2012 auf die kleine Anfrage der Abgeordneten Claudia Hämmerling (GRÜNE) vom 17.01.2012). Ob aber eine Führerscheinpflicht für alle größeren Berliner Hunde eine praktikable und sinnvolle Lösung darstellt, darf allerdings bezweifelt werden. Ob ein solches Gesetz, welches faktisch zumindest anfangs vor allem den zu einer artgerechten Haltung notwendigen Auslauf der Tiere behindern dürfte, überhaupt verfassungsgemäß wäre, dürfte ebenfalls höchst fraglich sein. In Artikel 31 Abs. 2 der Verfassung von Berlin heißt es immerhin, dass Tiere als Lebewesen zu achten und vor vermeidbarem Leiden zu schützen sind. Die Verweildauer von sogenannten gefährlichen Hunden, welche derzeit beinahe ausschließlich anhand fragwürdiger Rassekriterien bestimmt werden, beträgt im Tierheim bereits jetzt durchschnittlich 529 Tagen im Gegensatz zu den 149 Tagen bei anderen Hunden (vgl. Antwort der Senatsverwaltung für Gesundheit, Umwelt und Verbraucherschutz vom 23.08.2011 auf die kleine Anfrage des Abgeordneten Mirco Dragowski (FDP) vom 15.07.2011). Insofern bleibt der Gesetzeswortlaut des schließlich verabschiedeten Gesetzes abzuwarten.

Fundstelle: Pressemitteilung der Tierärztekammer Berlin -Änderung des Berliner Hundegesetzes- vom 10. April 2012; Antwort des Senators für Justiz und Verbraucherschutz Thomas Heilmann vom 18.04.2012 auf die kleine Anfrage der Abgeordneten Claudia Hämmerling; Antwort der Senatsverwaltung für Gesundheit, Umwelt und Verbraucherschutz vom 23.08.2011 auf die kleine Anfrage des Abgeordneten Mirco Dragowski; Allgemeine Informationen zum Hunderecht

Die Forscher der Ben Gurion University, Negev (Israel), und der Columbia University, New York (USA), Shai Danziger, Jonathan Levav und Liora Avnaim-Pesso haben außerhalb des Rechtsordnung liegende Einflüsse auf die gerichtliche Entscheidungsfindung untersucht. Die Forscher haben insgesamt 1.112 Entscheidungen, die vorwiegend die Aussetzung von Haftstrafen zur Bewährung zum Gegenstand hatten, analysiert. Die Ergebnisse dieser Untersuchung haben die Autoren unter dem Titel „Extraneous factors in judicial decisions“ in der Zeitschrift Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America (PNAS) veröffentlicht. Es wurden nur erfahrene Richter in die Untersuchung einbezogen und dabei erforscht, welchen Effekt die Position der jeweils stattfindenden Essenspausen innerhalb eines Verhandlungstages auf die statistische Wahrscheinlichkeit eines für den Inhaftierten positiven Ausgangs der Verhandlung hat. Interessanter Weise hatten die israelischen Richter keinen Einfluss auf die Reihenfolge der Terminierung der Verhandlungen, so dass ausgeschlossen werden konnte, dass die Richter selbst durch eine spezifische Terminvergabe die Ergebnisse verfälschen könnten. Das Ergebnis der Auswertung ist einigermaßen ernüchternd für all diejenigen, die annehmen, dass Richter nur mechanisch Gesetze und juristische Methoden auf die Fälle anwenden. Die Forscher konnten deutlich belegen, dass neben einer strikt rationalen Gesetzesanwendung offensichtlich auch psychologische Faktoren eine entscheidende Rolle spielen. Denn die Wahrscheinlichkeit der Aussetzung einer Freiheitsstrafe zur Bewährung betrug für den direkt nach einer Essenspause verhandelten Fall zirka 65 % und sank danach mit jedem weiteren verhandelten Fall kontinuierlich ab bis zur nächsten Essenspause. Direkt nach der dann eingelegten Essenspause betrug die Wahrscheinlichkeit einer für den Inhaftierten positiven Entscheidung dann wieder zirka 65 % und fing sofort nach demselben Muster wieder zu sinken an. Der zuletzt vor einer Pause eines jeweiligen Verhandlungsblocks verhandelte Fall hatte danach statistisch die geringste Wahrscheinlichkeit, eine für den Delinquenten positive Entscheidung zu ergeben. Interessant dabei ist auch, dass die Länge der jeweiligen Verhandlungen keinen Einfluss auf die geistige Ermattung der Richter hatte, die Wahrscheinlichkeit einer negativen Entscheidung stieg vielmehr nicht allein durch den Zeitablauf sondern durch die hohe Anzahl der vorangegangenen Entscheidungen, die die Richter erledigt hatten. Die Forscher gehen daher davon aus, dass bei vielen aufeinander folgenden Entscheidungen, die Entscheidungsträger am Ende einer Reihe von Entscheidungen eine Tendenz zeigen, einer den status-quo aufrechterhaltende Entscheidungsmöglichkeit den Vorzug geben. Aber die Studie enthält somit auch für Inhaftierte die tröstliche Erkenntnis, dass es anscheinend doch nicht darauf ankommt, was der Richter vor der Verhandlung gegessen hat, sondern nur darauf, dass der Richter überhaupt -möglichst direkt vor der Verhandlung- eine Essenspause eingelegt hat.

Fundstelle: „Extraneous factors in judicial decisions“ in der Zeitschrift: Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America (PNAS), April 11, 2011, doi: 10.1073/pnas.1018033108

Das Verwaltungsgericht Dresden hat mit Urteil vom 25.04.2012, Az. 1 K 1755/11, entschieden, dass die sogenannte Extremismusklausel (Einverständniserklärung zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung oder Demokratieerklärung), die u. a. für Bescheide des Bundesförderprogramms »Toleranz fördern – Kompetenz stärken« vorgesehen ist, rechtswidrig ist. Im Rahmen des Förderprogramms müssen Initiativen, die Fördermittel u. a. für den Kampf gegen Rechtsextremismus, Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus beantragen, als Bedingung für die Förderung eine Erklärung unterzeichnen. Die Initiativen müssen darin u. a. unterschreiben, dass sie selbst dafür Sorge tragen werden, dass die als Partner ausgewählten Organisationen, Referenten etc. sich ebenfalls den Zielen des Grundgesetzes verpflichten und dass keinesfalls der Anschein erweckt werden darf, dass eine Unterstützung extremistischer Strukturen durch die Gewährung materieller oder immaterieller Leistungen Vorschub geleistet wird. Das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) empfiehlt insofern in seinen Erläuterungen zur Demokratieerklärung das Studium der Verfassungsschutzberichte, der Medienberichte oder der entsprechenden Literatur, um etwaige Partner zu überprüfen. Das Verwaltungsgericht sah dagegen laut Pressemitteilung vom 25.04.2012 beide Anforderungen hinsichtlich der Überprüfung Dritter als zu unbestimmt an und daher als rechtswidrig an (vgl. § 37 Abs. 1 Verwaltungsverfahrensgesetz).

Fundstellen: Verwaltungsgericht Dresden, Urteil vom 25. April 2012, Az. 1 K 1755/11; Pressemitteilung vom 25.04.2012; Erläuterungen des Familienministeriums (BMFSFJ) zur Demokratieerklärung

Das Sozialgericht Berlin hat laut Presseerklärung vom 25.04.2012 die neue Berechnung der Regelsätze von Hartz IV dem Bundesverfassungsgericht zur Überprüfung vorgelegt, weil nach der Auffassung des Sozialgerichts Berlin die Höhe der Regelsätze vom Gesetzgeber in verfassungswidriger Weise zu niedrig festgelegt wurden. Zum einen wurde die Referenzgruppe, die der statistischen Bedarfsermittlung zugrunde liegt, fehlerhaft bestimmt. Zum anderen seien in rechtswidriger Weise Kürzungen bei den Ausgaben u. a. für Verkehr, alkoholische Getränke, Mahlzeiten in Gaststätten und Kantinen, Schnittblumen vorgenommen worden. Ein Ein-Personen-Haushalt erhält nach den Berechnungen des Sozialgerichts Berlin – wie im Beschluss vom 25. April 2012, Az. S 55 AS 9238/12, ausgeführt wird – monatlich 36,00 € zu wenig, ein Drei-Personenhaushalt müsste 100,00 € mehr erhalten, damit das soziokulturelle Existenzminimum der Hilfebedürftigen nicht unterschritten wird. Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgericht vom 09.02.2010, Az. 1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09, 1 BvL 4/09, muss der Gesetzgeber die Regelsätze zumindest so hoch bemessen, dass das aus Art. 1 Abs. 1 GG (Grundgesetz) in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG abgeleitete soziokulturelle Existenzminimum gewährleistet wird, außerdem muss der Gesetzgeber die Verfassungsmaßstäbe der Systemgerechtigkeit, Normenklarheit, Folgerichtigkeit sowie das Willkürverbot (Art. 3 Abs. 1 GG und Art. 20 Abs. 3 GG) einhalten. Die neue Berechnung der Regelsätze hält diesen Anforderungen nach der Ansicht des Sozialgerichts Berlin nicht stand.

Fundstellen: Sozialgericht Berlin, Beschluss vom 25. April 2012, Az. S 55 AS 9238/12; Pressemitteilung vom 25.04.2012; Bundesverfassungsgericht, Urteil vom 09.02.2010, Az. 1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09, 1 BvL 4/09; Allgemeine Informationen zum Sozialrecht

Das Landgericht Berlin (LG) gab laut Pressemitteilung (PM 21/2012) am 29.03.2012 bekannt, dass im Verfahren wegen einer tödlichen Verfolgungsjagd am U-Bahnhof Kaiserdamm ein Angeklagter wegen Körperverletzung mit Todesfolge zu 2 Jahren Freiheitsstrafe auf Bewährung und ein weiterer Täter wegen gefährlicher Körperverletzung zu 4 Monaten Freiheitsstrafe ebenfalls auf Bewährung verurteilt worden sind. Sie sollen zwei Passanten in der U-Bahnstation ohne Anlass mit den Fäusten geschlagen haben, einen der Passanten soll einer der Angeklagten nach draußen verfolgt haben, wo der Passant auf der Flucht von einem Auto erfasst worden sein soll und schließlich an den Verletzungen des Autounfalls verstorben sein soll.

Einen Berliner Autobrandstifter hat das Landgericht Berlin hingegen laut Pressemitteilung vom 03.04.2012 (PM 23/2012) u. a. wegen schwerer Brandstiftung zu einer Freiheitsstrafe von 7 Jahren (ohne Bewährung) verurteilt, er soll u. a. mindestens 80 Fahrzeuge in Brand gesteckt haben, wobei ein hoher Sachschaden entstanden sein soll. Menschen wurden durch die Brände offensichtlich nicht in ihrer Gesundheit beeinträchtigt. Laut Presseerklärung des Landgerichts vom 03.04.2012 wäre ein Tatnachweis ohne das Geständnis des Angeklagten in keinem Fall möglich gewesen. Der Angeklagte hat das harte Urteil offenbar akzeptiert und auf Rechtsmittel verzichtet.

Die Strafhöhe beider Urteile unterschiedlicher Kammern des Landgerichts Berlin dürfte in Berlin für Diskussionen sorgen, insbesondere erscheint es doch einiger Maßen erstaunlich, dass trotz Geständnisses des verurteilten Autobrandstifters eine deutlich höhere Strafe als bei Körperverletzung mit Todesfolge verhängt wurde. Die Verhängung der hohen Freiheitsstrafe für den verurteilten Autobrandstifter begründete die vorsitzende Richterin der großen Strafkammer laut Medienberichten (u. a.  Artikel der Berliner Morgenpost vom 04.04.2012: „Gezündelt, um den Frust abzubauen“) auch damit, dass durch die hohe Strafhöhe eine abschreckende Wirkung auf potentielle andere Täter erzielt werden soll. In diesem Zusammenhang erlaube ich mir den Hinweis, dass die Höhe einer Haftstrafe keinerlei statistisch signifikante abschreckende Wirkung entfaltet. Eine abschreckende Wirkung einer besonders hohen Haftstrafe ist wissenschaftlich nicht feststellbar. Auch in der Untersuchung des australischen NSW Bureau of Crime Statistics and Research mit dem Titel „The effect of arrest and imprisonment on crime“ von Wai-Yin Wan, Steve Mofatt, Craig Jones und Don Weatherburn wurde diese Erkenntnis erst kürzlich erneut untermauert. Sie haben u. a. den Effekt der Haftdauer auf die Kriminalitätsraten in New South Wales in Australien quantitativ analysiert.

Fundstellen: Landgericht Berlin, Urteil vom 29. 03.2012, Az. (535) 234 Js 4622/11 (13/11), Pressemitteilung 21/2012 und Urteil vom 03.04.2012, Az. (517) 222 Js 3531/11 (4/12), Pressemitteilung 23/2012; „The effect of arrest and imprisonment on crime“ von Wai-Yin Wan, Steve Mofatt, Craig Jones und Don Weatherburn in der Zeitschrift Contemporary Issues in Crime and Justice, Nr. 158, Februar 2012



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